Freitag, 28. September 2007

- Verliere von mir.

- Was?

- Ich fühle mich nicht wohl.

- Hier?

- In meiner Haut.

Hat doch nicht wirklich jemand geglaubt, dass das unblutig ausgeht.

8.oo Uhr vor den Bäckereien der Innenstadt. Warenanlieferung. Wie duftend die Kisten vor den Türen standen. Da bekam man schon Lust, musste nur Zugreifen. Ich ging vorüber und sah ihm nach, dem Ausgehungerten, seinem tierischen Blick. Seiner Gier. Und ich traute mich nicht, ihn zum Frühstück einzuladen. Vielleicht auch deswegen, weil er sein ganzes Leben dabei hatte, auf den Schultern, auf dem Rad. Und wohin dann damit, fragte ich mich. Aber da war ich schon gegangen. Die Einkaufsmeile lag lahm. Nirgends etwas. Ich schlenderte und war gespannt, was aus dem Tag noch werden könnte.

Es wurde nicht viel. Die üblichen Nachrichten, das übliche Versagen. Sonntag kommt N. aus Wien, dann reisen wir nach Amsterdam oder auch ans Meer. An einen weit angelegten Strand.

Kein Schreiben. Kein Lesen. Kopf unter Wasser. Damit könnte man diesen Zustand vergleichen.

take me from this place

Dienstag, 25. September 2007

Rennst doch immer nur wieder in das Unglück der Anderen.

Ein kastanienrotes Meer, ein buddhistisches Meer tut sich auf. Irgendwo gegen ein Militärregime. Neben Mönchen auch Nonnen, die nicht immer in der Geschichte des Buddhismus willkommen waren. Sie treiben Sintflut gleich durch die Straßen. Und die Frauen steuern zielstrebig auf das Haus einer unter Hausarrest stehenden Freiheitskämpferin zu. 100%iger Symbolgehalt. Der chinesische Riese guckt und lauert aus seiner Festung. Der Rest im Zuschauerraum ist im Gegröle kaum auseinander zu halten. Studenten, die sich auflehnten, vor vergangener Zeit, wurden blutig auseinander geschlagen.

Der afrikanische Mittelstreifen steht unter Wasser. Die Wüste geht unter. Ersäuft. Schulen werden Unterkünfte. Bildung fällt bis auf weiteres aus. Die Ernten sind verloren. Hunderte Menschen sterben, Tausende sind auf der Flucht.

Armes Deutschland. Der Arbeitnehmer hat nichts vom Wirtschaftsboom. Ottonormalverbraucher verdient scheinbar weniger als vor der Wende. Und so eine Statistikeinsicht kurz vor dem 03.10.

Die Kanzlerin empfing den Dalai Lama. Daraufhin sagt China ein Treffen mit der Kanzlerin ab.

Ich sitze und staune aus dem Fenster. Staune meinem Rennen hinterher. Spaltung. Kernspaltung. Ich minimiere mich auf das Kleinste. Bis unter die Fingernägel. In den Dreck. Die Pflanzen in den Kübeln gehen vor meinen Augen ein. Ich habe einen Intensivnotstand ausgerufen. Seither nur Warten. Warten auf Wiederbelebung. Wie Bäume stehen Männer an der Straße. Ich könnte hinausgehen und einen mitnehmen. Und der würde mir dann vielleicht mit dem Leben kommen, das ich nicht habe.

Sonntag, 23. September 2007

Nachts. Die U-Bahnen wie Lichtschlangen auf den Straßen. Mann ohne Kopf, Frau ohne Bauch und ein Kind sitzt hinten. Ohne Zukunft. Zwischen meinen Schuhen ein Bierrinnsal. Ich stelle mir vor, wie ich mich beuge. Bäuchlings am Boden und die Zunge, den Rachen wie eine Schlucht geöffnet, in die alles rinnt. Hinabsinkt.

Schweißnass die Körper. Zwischen Rauch und Musik bewegt sich eine Masse. Zähflüssig. Wie Zucker kleben Hände an mir. Und wie über Zucker lecken Lippen. Das Kleid ist zerrissen, war es schon immer. Die Träger muss man mir im Nacken zusammenbinden. So ein Kleid, wie ein Bikini. So zur Schaustellung. Vielleicht auch praktisch auf den überladenen Toiletten. Nirgends kann man noch Platz nehmen.

Hast du mich gefragt? Was denn? Na ob auch ich will. Wozu denn?

Es wird niemals dunkel. Hier.

Stehe und greife mit den Zehen durch den Boden. Umklammere die äußerste Kante, die Erdkruste und fühle mich wie auf einem Sprungbrett. Fühle einen Krampf, der sich durch die Zehen, durch die Wade, den Oberschenkel bis hin zum Herzen frisst. Wie er nagt und schabt, an jedem Muskel. Späne brechen mir durch die Stirn.

Glaubst du, du kannst dich verstecken?
Glaubst du, du kannst dich erstrecken?

.

Feststellung

ich bin kein
Emotionsbolzen
den man sich
nach Lust
und Laune
in das fleischige
Herz rammt

Freitag, 21. September 2007

Allein. Beim Chinesen. Habe etwas mit Curry bestellt und ein Bier. Trinke und sitze in der gähnenden Leere des Lokals, schaue hinaus ins Dunkel. Dorthin, wo freitags das Leben tobt, die Stadt pulsiert.

Sitze am Text und habe zwei neue Ideen in Gang gebracht. Gestern gab ich E. die gekürzte Fassung. E. hat eine Geschichte verfilmt. Vertrickfilmt. Und nun gab ich ihr die zweite und damit einen Auftrag. Gespannt folgte ich ihrem Lesefluss, wartete auf Regung, Bewegung der Mundwinkel. Der Pakt ist geschlossen. Stunden am Telefon. Hier und Dort Veränderungen. Hier und Dort mein Einstreuen, mein Anmerken, es handelt sich um eine gekürzte Fassung. Die Idee steht schon bereit für mehr. Mehr und mehr. Immer nacheinander. E. sagt, sie wolle mehr Länge. Ich meine, mir die Länge für eine Erzählung aufsparen zu wollen. E. fragt, ob sie die Geschichte dennoch verwenden dürfe. NATÜRLICH. JA.

Davor aber die Arbeit am Kinderbuch. Planung abgelaufen, überfällig. Jetzt beginnt die Durchführung, neben all dem Übrigen. Terminsetzung: nächste Buchmesse. Und plötzlich hat man drei Fische an einer Leine. Werden sehen, was im Boot landet.

Das Verhalten eines Unbekannten am nächsten Morgen ist unvorhersehbar.

Ewig war die Zeit, in der ich das zu erfahren hatte. So viel Zeit und so viele Menschen, die einen berühren, obwohl man unberührt bleiben wollte. Keine Wehr. Keine Wehrmacht. Nirgends noch Kraft. Das Gewaltige tritt stets über die Ufer. Und wenn ich Ufer, nicht Fluss, nicht Meer bin, sein kann? Nicht mehr?

Renne über die Brücke, über das Wasser und fühle mich den Möwen überlegen. Wie sie kreischen, und ich lache. Renne von einem ans andere Ufer. Halte links und rechts Hände, die nicht zu mir gehören. Halte sie so.

Mutter hat Vater ans Kreuz geschlagen. Seinen Kopf auf den Jesuskörper genagelt. Da hängt er nun, und der Körper passt nicht zum Gesicht. Denn das strahlt, ist aus besseren Zeiten. Und Mutter hat ihn so hängen, weil er für sie leidet, meint sie. Ich lasse sie und spare mir alles Übrige.

Die Stadt macht mich lahm. Ich komme kaum hinterher. Während ich mir noch Wasser ins Gesicht werfe, schminkt die Stadt sich schon zur Abendgarderobe. Werfe mir das Wasser wie Steine ins Gesicht. Komme nicht nach, weil ich an einem Wort, wie an einer roten Ampel hänge. Nur ich, scheint es, warte auf Grün. Der Rest springt vor die Gefahr.

Ich will dich spüren, sagte ich. Und sie schlug mir ins Gesicht. So, das hält eine Weile, das hallt nach, das Gefühl, gab sie zurück.

Nur ich tobe nicht.

Donnerstag, 20. September 2007

Stecke mir mit Klammern Strenge ins Haar und fühle mich trotz der Pulloverschichten dünnhäutig. Sag doch, hast du Mutter mit ins Grab genommen oder liegt sie noch auf den Feldern? Ich habe so Angst, aber ich muss hinaus, muss auf die Felder, wenn sie dort noch liegt. Und ich kann sie schreien hören, wie sie bei jedem Kind schrie, fluchte und mit der bloßen Hand Vaters brach. Ich habe nichts. Kein Brot, kein Kleid, nicht einmal Zeit blieb mir. So stehe ich und stecke Klammern ins Haar, schmücke mich wie einen Christbaum. Mitternacht wird einer mich entzünden und ich gehe in Flammen auf. Wie steht mein Geäst?

Die Kirchentür stand offen. Ich trat heran, und heraus dröhnte Orgelmusik. Weiter wagte ich mich nicht. Vater unser, der du bist …

Ja. Wo denn? Fliehhemdchen. So ein großer, schwerer Körper.

Wie fern bin ich dem Nahen? Und wie weit lässt sich das dehnen? Wie lange noch?

Alles Sterben hat ein Ende, ist man erst einmal tot. Gilt das auch für die Liebe? Alles Lieben hat ein Ende, …

Mutter, liegst du auf den Feldern? Sag doch! Ich trage Klammern und um Mitternacht gehe ich in Flammen auf. DU wirst mich sehen können. Lichterloh. Froh. Weil sonst kaum noch einer brennt. Kaum ein Christbaum im September. Vor den Türen der Kathedrale stehe ich. Geschmückt, kahl geschlagen. Geästet.



Geächtet.

Mittwoch, 19. September 2007

Ist ein Eisenherz tröstlicher?

Vielleicht.

Wieder Post aus Afghanistan. Dieses Mal kaum noch Erschütterung. Es ist der dritte Brief. Mein Verstummen begann beim Einsatz der Feuerwaffen. Von leichter Aufregung hin zum Beben. Ich bebe. Dort, wohin niemand sieht.

Unter Bäumen säße ich gern. Auch bei Regen. Aber überall ist asphaltiert. Und dort, wo noch Platz wäre, ist plakatiert. Suchanzeigen, Ausstellungshinweise, Kinovorschauen, Morddrohungen, Konzertansagen … . Selbst der Himmel sieht wie Plakatwand aus.

Der mit dem Gedichtband war da. Wie er seine Hände um meine schloss. Und ob ich den kleinen Brief, den er geschrieben, gelesen habe. Was ich denke und dazu meine. Wie lange ich ihn nicht gesehen habe, denke ich und überhaupt, welchen Brief? Er lächelt. Dieses ruhige, kaum berührbare Lächeln. Und ich weiß keinen Rat, dem zu entkommen. Fühle diesen verdammten Fluchtkörper, fühle mich in ihm stecken, fühle mich bleiben wollen und gehen müssen. Erbärmlich ! Erb ärmlich. Genmanipuliert. Der mit dem Gedichtband, dem Briefchen, der geht und sagt, ich solle nach dem Brief schauen. Ich rufe hinterher, ich wolle doch und Seite 58.

wenn du
über mich rutscht
wie über einen
flaumlosen Teppich
dann liege ich
auch nur unten
und fühle mich
betreten

Das ist alt.

Und ich weiß gar nicht wohin. Treiben.

Dienstag, 18. September 2007

Hell. Dunkel. Das Wetter schlägt um wie ein Sekundenzeiger. Ganz eigener Rhythmus. Reicht gerade aus die Zahl einundzwanzig auszusprechen. Sonne. Regen. Sonne. Regen. Untertauchen. Luft anhalten. Auftauchen. Atmen.

„Sonst noch einen Wunsch?“
Wo soll ich anfangen? Und das hier. Das intimste Begehren? Wie lang, wie viel Zeit bleibt noch? Wie viele Wünsche, alphabetisch oder nach Priorität?
„Warten Sie, ich muss nachdenken.“
Ob die Übrigen mehr Zeit oder schon Vorüberlegungen getroffen haben?
„Bitte!“
„Dann ein Sovitalbrot bitte.“
„Geschnitten?“
„Nein, am Stück.“


N. sagt, die Figur ist unglaubwürdig. Weint hinter der Tageszeitung wegen der immer wiederkehrenden Nachrichten und brüllt und wütet später gegen das eigene Kind. Unglaubwürdig. Nicht authentisch.

Ich habe es hingenommen, ohne über meine Glaubwürdigkeit nachzudenken. Im Text habe ich es gekürzt. Oft ist zu streichen, was den Verfasser am meisten gefällt, ihm nahe ist, ihm am Herzen liegt. So nah also. Das interessiert den Leser nicht, das braucht die Geschichte nicht. Hm. Also streiche ich. Komme zu den geforderten sieben Seiten. Neun minus Zwei.

Reduktion.

Glaubwürdigkeit. Wie kann ein Gott dann glaubwürdig sein? Der heult doch auch und
entfacht Weltkriege, sieht es zumindest geschehen. Ist doch nur projiziert. Großflächiger. Und die Narren glauben.
Sind Kritikern gegenüber kaum abgehärtet. Da wird alles persönlich genommen. Ich-Bezogen selbst im Glauben an eine Über-Macht.

Sonntag, 16. September 2007

Wenn du mich streunen siehst, bin ich Kater und habe sieben Kätzchen gezeugt und auch zur Welt gebracht. Geboren. Neun Leben, eines davon ist weiblich, ist das Gebärende. Wiedergebärend. Sicherlich. Wenn du mich so siehst, schleiche ich nachts um die Häuser, und am Tage um die langen Beine der nach oben Gewachsenen. So streicht Zeit ins Land. Wie ich.

Bin abgerutscht mit dem Messer. Über den Fingernagel, habe mir eine Gravur gelegt, kurz bevor das Blut kommt. Knapp vor der behornten Haut. An Finger und Zehen sind wir auch immer Schuppentier, oder Panzer. Schuppenpanzer. An den sensibelsten Ausläufern unserer Selbst. Am wundesten Punkt die härteste Verschanzung. Wie wenig Beachtung man dem schenkt. Das Herz ist in aller Munde. Ausspucken! Das Herz pumpt. Und wie zart, wie fragil und fadenfein die Kapillaren sind, die alles Herzinnere bis zum Äußersten treiben. Da liegt die Kunst, liegt alles Gefühl. Im Äußersten. Das Herz zentrifugiert nur.

16.09.07

Heute ist ein Tag. Nicht wie jeder andere. Vielleicht ähnlich, aber nicht gleich.

Ich lasse eine Spurensammlung

.

10.09.07

Alles ist ein Anderes. Wahrnehmung ist immer Wahrheit. Und was im Sinne daraus gebildet wird, ist eine Interpretation, eine eigene Deutung der Dinge. Privat. Intim. Alles innere Geschehen.

Wahrnehmung. Das Geschehen wahr nehmen. Für bare Münze nehmen. Für wahr annehmen. Annehmen, vermuten, glauben. Das um uns herum. Und wenn nicht ?

Hinterfragen, anzweifeln. In Zweifel nehmen. Trugnehmung. Infragenehmung.

Und wie lange hält man das aus?

Hier ist alles tot. Zumindest könnte man das glauben, wenn man hier ist.

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11.09.07

Berlin

Bei Regen, immer bei Regen und wenn die Sonne scheint, sitzt man im Café.

Vieles um mich herum ist Ablenkung. Es ist nicht einfach, einem zu folgen, wenn anderes genauso ist. Das ist eine Wahrnehmungsverzerrung. Alles ist aus der Sicht des Betrachtens verzerrt, verändert und dargestellt. Natürlich, mir ist egal, welcher Zuckerbecher auf dem Tisch steht, aber passend zum Milchkännchen finde ich nicht verkehrt. Das ist Ordnung, ein Prinzip. Alles ist Ordnungssystemen unterworfen. Prinzipien.

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12.09.07

Kein Auge zugemacht. Die ganze Nacht nicht, und dann in aller Frühe vom Telefon geweckt. Im Dämmerzustand ins Auto gestiegen, zum Bahnhof gefahren. So vergeht die Zeit. Was geschieht nachts, während man nicht schläft? Jede halbe Stunde die Überlegung, aufzustehen, den Rechner hochzufahren und zu schreiben. Überlegung. Ein ÜberlegenSein. Alles Denken und Grübeln? Man darf mit diesen Wortfindigkeiten gar nicht erst anfangen. Da treibt man, treibt bis auf das Äußerste hinaus.

Mit dem Schluss weitermachen. Beim Schreiben, das ist wie ein Fließen, das folgt einer Fließrichtung. Kann ich nur Meter nach der Quelle, dem eigentlichen Ursprung vorgreifen, hinfort eilen, schon an der Mündung angekommen sein? Oder dort weitermachen, und die Mitte, das ganze mittig Liegende, vernachlässigen? Abschnittsdenken. –schreiben. Daran muss ich mich gewöhnen. Denn ich fürchte, sobald ich aus der Mündung trete, schwinde ich im Meer, verliere den Flusslauf. Und die Geschichte kommt ins Stocken, bevor sie ins Fließen kommen konnte. Da versiegt ein Strom, wird Rinnsal, verkümmert.

Prinzip.

Bin uneins. Merke es, wenn ich sitze und ruhig bin, es nicht sein kann. Unruhig werde, ausflüchte, hinausflüchte. Merke mich selbst aufspalten, auseinanderdriften. Und aus dem Augenwinkel heraus immer den Betrachter im Blickfeld, ob der etwas davon mitkriegt, mich sieht in meiner Zerrissenheit.

Natürlich sieht er. Wie kann er nicht, reiße selbst alle Hürden ein, reiße sie um und bleibe auf der Strecke. Der eigenen Laufstrecke, der Distanzbewältigungsstrecke. Einreißen.

Ein Ort, der nach dem Ortseingangsschild bereits wieder endet. Nichts. Hier ist nichts. Menschen, die nicht wissen, wohin, weil es kein Wohin gibt. Aussichtslos. Hier ist weit und breit keine Aussicht. Wo soll einer hin, der nur soweit geht, wie er sehen kann. Der wird nicht raus kommen aus der Enge, dem Begrenzten.

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Donnerstag, 6. September 2007

Weiß ich, in welcher Freiheit ich mich hier bewege? Und kann es eine Freiheit mit Grenzen sein, kann es denn diese geben? Wo beginnt, wo endet diese Freiheitsgrenze. Wo und wann darf ich mich im gezäunten Raum wie darstellen, geben. Und welcher Wahrheitsgehalt liegt im Menschen, einem Menschen, der täuscht, um zu überleben. Alle Lüge, aller Schein bekommt plötzlich einen Gebrauchscharakter, eine Notwendigkeitsfloskel. Überlebensstrategie. Abermals und Abermals.

Dort wird man gepeitscht und gesteinigt. Hier trägt man eine Lebenspartnerschaft ein. Dort werden Jugendliche mit Tötung durch den Strick des Lebens beraubt. Hier steigt das Diskussionsfieber, wenn es sich um die Lebensqualität und Akzeptanz im Alter handelt. An welchen Tischen sitzen wir, an welchen wollen wir Platz nehmen, wo lässt man uns diesen Platz? Und wie lange halten wir still und leise den Mund geschlossen. Weil das Eigene doch immer das Nähere ist. Ist das verwerflich. Wie eng sind die Grenzen in den Köpfen gesteckt? Und wie viel Angst verbirgt sich hinter diesen Grenzen.

Und komme ich umhin, darüber zu sprechen, ohne meine Ängste einzugestehen?

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Strafbarkeit von Homosexualität im Iran

§110: Die Strafe für Homosexualität in Form des Verkehrs ist die Todestrafe. Die Tötungsart steht in Ermessen des religiösen Richters.

§111: Der homosexuelle Verkehr wird dann mit der Todesstrafe bestraft, wenn der aktive und der passive Täter mündig und geistig gesund ist sowie aus freiem Willen gehandelt hat.

§129: Die Strafe für die lesbische Liebe sind 100 Peitschenhiebe für jede.

§131: Wenn die lesbische Liebe drei Mal wiederholt und jedes Mal mit Peitschenhieben bestraft worden ist, ist die Strafe beim vierten Mal die Todesstrafe.
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2007

Mittwoch, 5. September 2007

Trage meterlange Kleider. Durch den Abend, durch den Tag. Immerfort. Fort und während Andere bleiben. Und wenn ich schreite, dann schleicht mein Kleid hinterdrein. Ich fühle es. Sehe auch die Blicke, die ich auf mich lenke, über die ich nach Belieben richte und walte. Lasse Köpfe rollen, ohne im Hafen ein beflaggtes Schiff liegen zu haben. Und wenn einer noch schreit, dann lache ich schon gekrümmten Buckels.

Abendliche Vorbereitung. Ein Prozedere. Eine Sinfonie. Bis so ein Kleid angepasst, zurechtgerückt, beseelt ist. Damit habe ich Jahre verbracht. Und das, obwohl ich niemals Kleider tragen wollte.

Konfus. Ich bin konfus.

Teile ich mich durch das Schreiben selbst mit? Das ist die Frage, vor der ich mich momentan befinde. Teile ich mich mit? Was wird von mir verlangt, erwartet, erhofft? Doch nicht die Ausstülpung meines Innersten.

> - sondern so einen Mittelort suchen, wo das ausgesprochene Wort sensationell ist, … <

Goetz -Abfall für alle-

Ist Schreiben diese Suche? Diese Ortschaftssuche?

Wo und wichtiger beinah noch, wer bin ich, wenn ich schreibe.

Ohne mit der Wimper zu zucken, rase ich durch die Geschichten mehrerer. Das ist so, das ist meine Behauptung. Prämissen folgen. Ich trete vollkommen aus mir heraus, in mich hinein, das ist nur eine Relationsverschiebung. Dann ergibt sich ein Wort, und dieses das nächste, das immer und immerwährend nächste. Wer schreibt und wohin schreibt dieser mich. Das nimmt Gestalt an. Ohne Frage. Gestalt ist Form. Ich habe eine Textdatei im Kopf. Ich kann Verschiedenes zu bestimmter Zeit aufrufen. Bestimmtes zu verschiedener Zeit. Mach den Test, frage mich. Aber dann lass mich an den Schreibtisch. Denn der ist Bedingung.

Die Geschichten der Vielen treten in Konkurrenz zu: Teile ich mich mit. Beziehungsweise treffe ich hier auf die Frage der Identität. Das ist heikel in Zeiten des Gläsernseins. Jeder kann doch von mir sehen, was er zu sehen wünscht.

Und ich gebe zu, wenn ich vom Meer schreibe, vom Fluss, der nur fließt, dann gestehe ich meine offene Sehnsucht. Die liegt nämlich offen. Nichts ist unter Verschluss. Was nutzt das ganze Sicherheitsgetue. Und wonach sehne ich mich, was ist diese Sehnsucht.

Alles nur Gefühl, das ewige Empfinden eines Fehlenden. Emotionsbespuckt, wie wir alle sind. Da kann man sich kaum noch herausretten. Umschlagplätze, ganze Massenveranstaltungen.

EmotionsBespuckt.

Dienstag, 4. September 2007

Komme nicht umhin, den Kopf vom Rest zu spalten.

Ich sprach von Zeit und Vergänglichkeit. Seit Tagen schon denke ich nicht daran. Sitze jeden Morgen zwei Stunden am Text. Das ist wie eine Wanderbaustelle. Stagniert immer an einem Punkt. Gefrierpunkt. Bei der Kälte liegt alles lahm, weil die Finger schmerzen. Alle Versuche bringen nichts: Wärmflasche, Decken, heißes Bad mitten am Tag, und ewig dieser Tee.

Vor lauter Frust und Veränderungsdrang nochmals die Haare geschnitten. Man kann ja nie zufrieden sein. Mit Brille, kann ich sie so tragen. Warte. Und muss eingestehen, plötzlich schärfer zu sehen. Komme nicht umhin.

Die Zeitung habe ich seit Gestern nicht aufgeschlagen. Ich weiß vom Leichenfund bei Bonn in Königswinter, ich weiß von Afghanistan.

Was schreibt man einem, der in Afghanistan ist.

Hallo, hier ist alles so, wie es vor deiner Abreise schon war, und so wird es auch bleiben. Das Wetter ist beständig wie eh und jäh. Im Grunde bist du der, der etwas erlebt. Gruß und Kuss –

Hallo und vielen Dank für deine Mail. Hoffen, es geht dir gut, trotz Hitze, Sandmücke und Angriffe. –

War von Anfang an gegen die ganze Sache. Komm gesund wieder. –

Habe anderes geschrieben, und wahrscheinlich langweilt ihn das. Oder er sieht es in ganz anderen Relationen. Mehr verliere ich darüber jetzt nicht.

Was mache ich nicht alles öffentlich. Andere spazieren nackt durch den Park. Bis dann einer kommt, ein Ordnungsbewusster. Der kommt und die Nacktheit verpönt. Das öffentliche Ärgernis, die Erregung einzudämmen. Ach, was es nicht alles für Spektakel gibt. Wie belebend.

Wäre der Sommer ein wärmerer gewesen, ich hätte einen anderen Job gemacht. Wäre mit Clownsnase durch die Fußgängerzone stolziert, immer einem Passanten hinterher. Geradewegs, geradeaus, immer hinterher in dessen Art und Manier. Bis dann einer mal zurückgeschlagen hätte. Das passiert. Das sind die Kleinlauten. Die holen einfach aus, während du noch stehst und ein Gesicht ziehst. Und schon hat der die ganze Mascara an den Fingerknochen. Man selbst kann ja nicht heulen, mit dieser Grinsfresse von Clown im Gesicht.

Mit N. das Stück besprochen. Warten auf neue Szenen. Alle kommen voran.

Wohin hat mich die Kindheit getrieben? Hier an Ort und Stelle. In eine Stadt, in der es nie finster wird. Immer ist Licht. Irgendwo. Das war früher anders. Zu einer anderen Zeit. Und ich weiß gar nicht mehr, ob ich mich im Dunkeln überhaupt noch fürchte. Einer, in dessen Bett ich auch schlief, hat die Stadt verlassen. Vor zehn Monaten schon, sagte der. Sagte es mir am Telefon, obwohl ich von nichts wusste. Schließlich hatte der noch mein Rad im Keller. Schaue den Wolken hinterher, als wäre das eine Alternative.

Während der in Afghanistan mit der gemeinen Sandmücke eine Uhrzeit, Auftrittszeit verabredet,

> Nach 1900 Uhr muss darf man nichts kurzärmliges oder kurzbeiniges mehr anhaben, denn ab 1900 beginnt die aktive Zeit der Sandmücke, die die Krankheit Leischmaniose überträgt. Es ist eben so befohlen. Ob die Sandmücke auch weiß, wann sie Starterlaubnis hat, muss ich noch herausfinden... <
lese ich über Meta- und Objektsprache. Wofür man nicht alles etwas erfindet. Lese diese Grundkursbücher und fühle mich in einem Gedankenraster. Wie eine Murmel am Rechenkasten. Hin und Her kann man schieben, in Weiten und Tiefen. Mehrdimensional. Aber letztlich hängt alles an Begriffen. An einer Art und Weise der Verständigung der Betrachter. Ich lasse es so, betrachte das Ganze einfach aus meiner naiven Sicht, einer Naivität, die mich glauben lässt, ich verstehe etwas davon. Aber in den Büchern ist auch Witz. Zum Beispiel wird auf Seite 85 zum hundertsten Mal wiederholt, die Bezeichnungen hier nicht mit grammatikalischen Begriffen zu verwechseln. Ja, denken die denn, wir sind fragil? Und haben es auf Seite 85 noch immer nicht bemerkt oder längst schon wieder vergessen? Ich meine, wäre man denn dann über Seite 46 hinausgekommen. Nun ja, inzwischen führe ich Strichliste. Errechne mir den Wahrheitsgehalt aus meiner Weltbetrachtung heraus. Ist ja schließlich ebenso nicht feststellbar, ob die Realität erst durch uns zu dem wird, was wir uns von ihr versprechen.

Vogelperspektivisch gesehen, kann ich auf Alles scheißen.

Sonntag, 2. September 2007

Der Abend kommt. Und ich habe den Tag noch nicht verkraftet. Oder überwunden. Kann ich überwunden sagen?

Da trifft es einen, und ich denke, herje, warum hat´s denn den getroffen?

Habe vom Grabenfuß erfahren. Erste-Welt-Kriegs-Erfahrung. Grabenkrieg, da standen die im Wasser, standen und standen. Und mehr als 30 000 erlagen dem Grabenfuß. Fäulnis. Sieht auf den ersten Blick aus wie Erfrierung, da hilft nur Amputation, sonst frisst die Fäulnis sich das Bein, die Hüfte, den Rumpf entlang. Warum sehe ich abends solche Dokumentarfilme?!

Arte. Vorgestern oder noch länger her. > Marie und Freud <
das ist ein Film, den kann man empfehlen. Ich wusste nicht, dass Freud eine Kieferprothese trug.

Ich habe zwölf Jahre lang Leistungssport betrieben. Und muss jetzt immer wieder an den Lehrer denken, der von Heute auf Morgen verstarb. Der war auch Sportler, und der hatte nicht abtrainiert. Quasi von Heute auf Morgen aufgehört. Der starb an den Folgen, an den Folgen der Herzvergrößerung. Manchmal denke ich an den, wenn es sticht.


Alles durcheinander. Heute. Aber das bedarf keiner Erklärung oder einer Bitte um Entschuldigung. Ist ja so, dass alles zusammen in einem Kopf steckt. Steckt dort und kommt nicht los, vom Hirnstamm.

Samstag, 1. September 2007

Soll ich euch etwas sagen. Sagen weshalb ich keine Kontakte pflege? Abgesehen von meiner Unfähigkeit: Kontakte nicht zu pflegen, sprich, keine zu haben, ist einfacher, als welche in die Brüche gehen zu sehen. Menschen sind sterblich.

> Alle Menschen sind sterblich. < Simone de Beauvoir >

Ich liebe jedes ihrer Bücher. Liebe sie durch ihre Bücher hindurch.

Offensichtliches ist immer offen und sichtlich. Aber kaum einer schaut hin.

Renne dem, mit dem Gedichtband noch hinterher. Renne. Renne. Renne bis zur Ampel, die schaltet auf Rot. Und ich bleibe stehen. So ist das in der VerkehrsOrdnung. Verkehre stets nach Recht und Ordnung, mit wem und wo auch immer.

Post auch aus Salzburg. Der älteste Knochen der Stadt hat geschrieben. Weshalb habe ich mich überhaupt darauf eingelassen. Jungendlicher Leichtsinn, der nun in Widerspenstigkeit umschlägt. Das ist sein Los. Ich trage es nur aus. Ich meine, was denkt der sich dabei, mir zu schreiben, er hätte mich gern dabei gehabt? Tobsuchtsanfall! Überschäumend, alles, was ich koche. Ich könnte nicht mit mir zusammen leben.

Ich habe die ganze Stadt abgesucht. Habe nirgends etwas von mir gefunden. Seit sieben Jahren. Sieben Kinder. Fünf Tiefkühltruhe, eins aus dem Haus gejagt und das Letzte, ja, das letzte ist immer das geliebte Kind. Also liebe ich es, wie im Märchen. Und wenn ich der Liebe nicht Stand halte, dann fließe ich in die Fugen der Fliesenwohnung. Fühle mich im Kommen schon wieder gehen. So ist das. Eine Fluchtmanschette. Die wird an wichtigen Tagen angelegt. Hochzeit. Beerdigung. Das sind Tage, an denen man HandinHand geht.

Wer ist denn jemals mit mir HandinHand gegangen?

Alle um mich herum werden erwachsen. Kaufen Wohnungen, ganze Häuser, bekommen Kinder. Und ich sage noch, mein Gott, was seid ihr erwachsen. Zeitflucht, das ist wie Fahnenflucht. Bin ich denn immer nur auf der Flucht? Oder bin ich einfach noch nicht so weit? Sind andere denn weiter, und möchte ich das überhaupt? Nein. Ich möchte nicht!

Denke an den Vater, der jeden Sonntag Kinderkanal, das Märchen schaut. Der möchte auch nicht. Was habe ich ihm alles gleich, nicht zu viel? Das Gesicht, die Art, den Fluchtkörper.

Und warum eigentlich immer über das eigene Alter hinausragen? Ein anderer im selben Alter kann ja hier und dort sein. Aber man selbst? Muss ich Doktor, Magister, Amtsanwärter sein? Wozu, damit die schrägen Augen links, ihren schiefen Blick nach rechts verlagern?

Ja. Natürlich. Wer hatte nicht alles Einsen auf dem Zeugnis? Aus wem sollte nicht etwas ganz Großes werden? In der DDR war doch jedes Kind ein Amtsanwärter. Ich wusste nicht, was Gruppenratsvorsitzende bedeutete, und hatte dennoch das Amt inne. Ich war nicht einmal zehn Jahre alt.

Ich gewann jedes Jahr die goldene Eins, eine besondere Auszeichnung sportlicher Leistung. Jahr um Jahr wurde ich trainiert, gewann und gewann. Wusste nicht, wie es ist, nicht zu gewinnen. Und dann die Angst, diese unheimliche Angst, doch einmal nicht als Siegerin nach Hause zu kommen. Ich weiß bis heute nicht, was geschehen wäre, ich hatte nie verloren.

Und dann wundert sich einer, wie ich mich wundere, wenn Kinder und Eltern mit Dreien und Vieren zufrieden sind. Für mich hätte das einen Weltuntergang bedeutet. Nicht, weil die Eltern mich gemahnt hätten, nein, ich hätte mir selbst nie erlaubt, eine Drei, geschweige denn eine Vier auf dem Zeugnis zu haben. Zum Weiteren. Die Schule war nie eine Hürde, nur eine Schranke, die ewig nicht öffnet. Ein beschrankter Bahnübergang ohne Zugverkehr.

UnLiebBar. Treffen wir uns da!?

Ich rede schon zu laut. Frühgeburt.

Zeit vergeht nicht. Wir sind es, die vergänglich sind. Zeit ist Raum, ein Existenzraum. Zeitraum. Raumzeit. Das ist das Bestehende, und alles darin vergänglich. Wir kommen schließlich nicht darüber hinaus. Höchstens noch im Sterben. Wenn Zeit und Raum keine Sinn gebenden Begriffe mehr bedeuten. Nominatoren ohne Prädikator. Was bleibt, ist nicht einmal mehr die Vorstellung.

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Jetzt ist es Abend. Dazwischen steckt ein ganzer Tag. Und nun. Ich muss neu beginnen, denn gerade erhalte ich Post aus Afghanistan. Da gibt es doch wirklich einen, den ich kenne, der dort ist. Der mir schreibt:

> Hier angekommen haben wir dann Ausweise ausstellen lassen, Waffen,
Munition, Bettwäsche empfangen und unser Gepäck abgeholt. <

Das ist eine gänzlich andere Welt. Eine Welt, die wir hier aus Zeitungen und TvNachrichten erfahren. Wir. Hier. Wer denn eigentlich? Und ich schaue auf den Reclamband 1 Logik, der vor mir liegt und muss erfahren, eine neue Angst, eine bekannte flammt auf. Womit ich mich auseinanderzusetzen versuche. Womit andere sich herumtreiben.

> Die Unterkünfte haben die Form einer langgestreckten eingeschossigen
Baracke. Aber die Baracke wurde aus gehärteten Wohncontainern
zusammengestellt. Gehärtet bedeutet, dass die Aussenwände des Containers
gepanzert sind und einen Angriff mit Handwaffen standhalten würden. Die
Dächer sind mit einer dicken Schicht aus Sandsäcken belegt, dass man
auch von oben sicher gegen Steilfeuerwaffen ist. Ob es stimmt, weiß ich
nicht, aber es beruhigt. <

Ich sitze hier in meinem Abend, in meiner abgesagten Verabredung. Setzte mich und wollte die Gedanken des Morgens aufgreifen. Greife völlig daneben. AbsichtsLos.

Gehärtete Außenwände. Ich bin nicht einmal hier, im ausgehärteten Deutschland beruhigt. Wie kann sich so Einer beruhigen lassen, einem Gefühl von Ruhe nachgehen, nur weil angriffsichere, angeblich sichere, Wände um ihn sind. Er, der inmitten eines treibenden Kerns steckt?

Aber vielleicht. Wenn man eine Waffe über die Schulter trägt.

Ich, eine Freundin lese diese Mail, die ebenso an Freunde, an seine Freundin gerichtet ist. Lese sie, und bin bemüht, mich völlig herauszuhalten. Wie tun das die anderen, die Eltern, die Lebensgefährtin? Lese und muss heulen. Als lese ich die Zeitung. Nur viel näher. Intim beinah.

Kann ich da noch Geist und Körper finden, mich darauf zurückbesinnen? Wozu, um mich zu retten, mich zu rechtfertigen? Rechtfertige ich diese Kämpfe? All die Gespräche, die Diskussionen, aber ein Freund ist ein Freund, selbst wenn er sich und seine Jugend dem Bund verschreibt. All die kleinen und heftigen Auseinandersetzungen.

Und dennoch. Ich hocke hier zwischen Papieren, Büchern, Gedanken. Muss nicht auf Schusssicherheit achten. Tue es aber. Stecke schalldicht um mich herum alles ab. Schließlich sind die Kopfschüsse hier ebenso nah. Alles in Armlängenweite.

Da reicht mein Geist nicht aus. Finde keine Erklärungen, flüchte mich in Ängste. In unausgestandene Ängste. Fluchträume. FluchTräume. Alle Härte nur Schutzbunker. Vor dieser Welt. Vor diesen Kriegen, denen, in den eigenen Räumen, denen, vor der Haustür, denen, hunderte Kilometer entfernt. Krieg ist Krieg. Ob im Großen oder ganz Kleinem.

HA! Das gab es schon. Das schrieb ich schon.

Ja.

Dehne und zerre meinen Verstand, wie andere ihre Gürtel weiten. Glaube mich hier, im Schreiben, im Auseinandersetzen, im Mitteilen einem Ausgleich zu nähern. Fühlte mich ruhiger werden, fühlte eine Konstante im Leben halten, mich einem Etwas nähern, dem ich noch keinen Ausdruck gegeben habe. Natürlich bin ich arrogant. Aber nirgends sonst, zu keiner Zeit spürte ich diese Ruhe, seitdem ich offen die Tendenz mit mir austrage, alles in Frage zu stellen. Mir selbst Rede und Antwort zu stehen. Warum? Weil sich sonst keine Reaktion zeigte. Was war denn Schule, waren denn Lehrjahre, sind denn all die Zeiten danach?

So oft sehe ich meine Sätze in die Runde gesagt. Sehe sie gesagt und nehme die Stille wahr, die überspielende Stille. Da lacht noch einer, da schaut noch eine. Aber eigentlich herrscht Stille. Ja. Sie herrscht. Und sage mir einer, wie ich da ruhig sitzen kann? Natürlich bin ich ein Zappelphilipp, wie es in der neuen Variante betitelt wird. Da können Eltern noch so lange sagen, sitze still. Ist doch Stille genug am Tisch. Wie noch selber ruhig bleiben? Langeweile im Kopf, immer diese lange Weile. Eine Ausdauer. Die Tugend?

Afghanistan.

Ich bin unfassbar! In diesen Emotionen.

- Fortsetzung folgt -