Dienstag, 12. Februar 2013

Soll doch einer mal sagen, er bringe sich um. Und dann macht er es nicht. Dann steht der da mit seinem unerfüllten Vorhaben. Steht und muss sich seines Lebens rechtfertigen. Muss sich seines Nicht-Ablebens verteidigen. Muss stehen, vielleicht noch den Strick in der Hand, die Steine in der Tasche, das Messer im Hosenbund. Und es stehen die da, denen er es sagte. Sie müssen sich ihrer Zurückhaltung rechtfertigen, müssen sich ihres Einschreitens verteidigen. Sie müssen einander ansehen, der, der sagte, er bringe sich jetzt um und jene, denen er es sagte, und die sehen den Strick, die Steine, das Messer. So stehen sie einander gegenüber und gucken. Gucken, wie ihre Leben aneinander reiben, wie stark diese Reibung ist, ob sie diesen Tatbestand des nicht erfüllten Vorhabens aushalten wird können. Sie gucken einander an, in Leib und Leben. Und glauben sich für jeden Schritt rechtfertigen zu müssen. Das eigene Recht fertigen. Anlegen, vorbereiten, darbieten. Sie müssen damit leben sich ihr Recht anzufertigen, um es anderen aufzutischen.

Freitag, 8. Februar 2013

Ich bin mit allen Wassern nach oben geschwemmt. Bin vor die Tür getreten, gestoßen worden, bin gewollt am Schopf gepackt und ans Oberwasser gezerrt worden. Nur einzig mit dem Ziel, mich kopfunter zu tauchen. Mich atmen zu lassen, was nicht atembar ist. Mich so zu lassen.

Es ist ein kleiner Raum. Beengt ist man in ihm. Kein Blick kann entweichen und keine Flucht kann gelingen. Geborgen engt sich alles um einen herum. Die Angst, der Zorn, das kindische Verlangen nach Aufmerksamkeit, überhaupt das Verlangen nach irgendwas. Nur nicht unbeachtet sein. Man will gesehen werden mit all den beengenden Gefühlen, den Gegebenheiten. Wie sie sind und nicht anders sein wollen. Wie sie sind und einen zu dem Menschen machen, der man ist. Ob man es will oder nicht. Man ist bereits dieser Mensch, der hier sitzt. In diesem Raum ohne Möglichkeit zu entkommen. Sich selbst ausgeliefert. Sich und seinem Menschsein. Vor die Fragen wie vor eine Wand gestellt. Mit Händen und Füßen an die Worte genagelt, die irgendwas wollen. Dabei hat man es längst durchschaut, hat diesen Raum mit seiner Enge ausgemessen, hat die Varianten, sich darin zu stapeln und zu schichten längst ausgewogen, hat begonnen, Maß zu schneidern. Mit genagelten Händen und Füßen. Mit den umbundenen Worten, die nicht anders als leichte Schnüre sind, einen Kinderdrachen im Wind zu halten.

Hände und Füße arbeiten. Die Arbeit beginnt in den Fingern. Die einzig im Raum frei beweglichen. Sie scharren, sie klopfen Töne und werden nur seitwärts kommend wahrgenommen, werden wie ferne Trommeln gehört, der Rhythmus ihrer Arbeit. Befreiungsarbeit. Die Finger kratzen und klopfen, drängen die Bewegung in den Arm, eine Bewegung, die nichts als Flucht bedeuten möchte und ihrer Bedeutung nirgends nachkommen kann. Also bewegen sich die Arme im Raum, zeichnen Kreise, obwohl alles Empfinden eine Scheibe ist. Randwärts stürzt alles ab. Absturzgrenze. Nicht überschreiten. Nicht hinan- und folglich hinabgleiten. Die Arme geben die Unruhe in die Beine, die mühsam ihr Gewicht im Sessel halten. Sie überschlagen sich und treten sich so selbst zur Stille. Unruhe. Sie breitet sich aus, breitet sich in jeden Körperwinkel, wird ansässig und weilt darin, während der Raum nicht größer wird.

Ich wurde mit allen Wassern und allem, was sich darin befindet nach oben geschwemmt. Da liege ich nun der Umwelt nicht angemessen. Unangepasst in einem Raum, der eigentlich gar nicht ist.

Nein. Von mir mache ich keine Reden. Nicht, weil da nichts wäre. Nur da ist nicht viel, um dass sich Reden lohnt. Wenn zu Beginn immer eine Rede steht, weilt sich das Feld aus. Was ist der Rede wert, was das einzelne Wort? Was ist der Mensch der Rede wert? Ich stülpe von innen nach außen, ich stülpe und schaue hinein, kaum Beredbares. Und doch formen sich Worte, formt sich Inhalt, formt sich Aussage. Und wer hinhört, wenn denn einer hinhört, der wird etwas verstehen, wird vielleicht etwas von dem verstehen, was der Worte wert geworden ist. Aber wie lösen wir unsere Worte? Lösen sie wie eine Handvoll Salz im Meer. Lösen sie in Unmengen um uns herum, lösen uns damit auf.

Nein. Von mir mache ich kaum mehr Reden.

Und doch. In dieser Enge ist etwas, was hält. Hält einen fest, hält einen von dieser Absturzgrenze fern, obwohl es auch hinträgt. Pendelt einen ein, pendelt einen hin, pendelt einen zurück. Pendelt. Nicht in ein Ausgewogensein. Aber andernorts hin. Diese Enge schützt einen, sie lässt nichts heraus, lässt nichts herein, lässt sich einem selbst nur. Wenn auch ausgeliefert sein.
Und dann ist da ein Mensch. Einer, der in dieser Enge sitzt, sie gar nicht empfindet, sie aber um einen herum wahrzunehmen scheint. Einer, der wartet. Auf Worte wartet der, und wenn keine kommen, formt er sie in den Raum, passend dazu, als wären diese Worte ein Bild, welches zur Wandfarbe passend angefertigt worden ist. Warme Worte. Worte, die ausgewählt scheinen, ausgewählt eine Stelle zu treffen, die womöglich zu berühren gilt. Nur zu berühren gilt, um etwas auszulösen oder loszulösen. Einen Perspektivwechsel vielleicht. Ein Empfinden aus anderer Sicht. Ein Hineinhören. Und dann hört man, was man längst schon gehört hat. Und vielleicht versteht man endlich etwas von dem, was man immer nur hört. Oder man ist still. Still in diesem Hören und findet nur etwas Dumpfes darin.

Dumpf. Ein unausgefochtenes Gefühl, eines, das werden wollte. Aber nicht konnte. Blieb in sich zurück, blieb verkümmert, blieb ohne Kenntnis.

In dieser Enge des Raumes bleibt, was man gesprochen hat, bleibt jedes Wort, wenn es nicht in den Hinterzimmern der Köpfe mit hinaus und fortgetragen wird. Aber was gelangt hinein in diese Hinterzimmer, was gelangt in die Köpfe? Wenn diese sich im Raum wiegen, als wiegten sich schwere Eichen im Sommer.

Ich bin mit allen Wassern angeschwemmt. Mit den Unter- und Oberwassern, mit den grünen und sumpfigen, mit kristallenen Berg- und Flusswassern. Bin überschwemmt und angespült worden. Nun bin ich hier. Möchte bleiben, möchte irgendwie sein und alles in mir treibt wie Wasser davon. Treibt einer Richtung hinterher, die ich unmöglich auf Dauer halten kann. Treibt und spaltet mich wie ein Delta auseinander.

Die Enge hält mich in Grenzen.

Dienstag, 5. Februar 2013

Bretter, die einem die Welt bedeuten, kann jeder sammeln und sich zu einer Bühne zimmern. Also ziehe ich los, sammle Reisig und Treibholz, sammle auf, was sich irgendher anschwemmt. Hauptsache sammeln und horten, einen Vorrat schaffen, als wäre damit auch immer ein Sack guter Räte im Haus. Ich zimmere Zimmer an Zimmer, Räume zu schaffen. Räume für Gesagtes und Ungesagtes, Räume für zwischendurch, Räume mit Durchgangstüren. Zwischenräume. Nischen und Nistplätze. Die Straßen sind leer und die Menschen kommen nicht umhin, einander anzustoßen. Denn woran denn stoßen, wenn nicht an den Anderen? Ich stoße direkt und ohne Umschweife, stoße mich an jedem und jeder, stoße hin und lange zu. Viel zu lange bin ich unumstößlich gewesen. Aber jetzt mit den Bretten, die irgendeinem seine Welt bedeuten …. Ich hämmere und zimmere, dir eine Bühne, dem ein Luftgefährt, einem anderen ein Laufrad. Zimmern und hämmern, hämmern und zimmern. Wohin gelangst du, wenn dir etwas gelungen ist? Langst heran an ein Ziel? An eine Zielsetzung, an einen festgelegten Punkt, der nur markiert, was du Ziel nennst? Wohin gelangen wir beim Erreichen der Dinge? Gelangen über uns hinaus, in uns hinein? Gelangen irgend hin?