Ein wenig schiebt sich mir die Angst in die Schuhe. An den
Fersen scheuert sie wund. Ich sehe den Weg durch die Gänge, vorbei an tausend
Betten, vorbei an tausend leeren Betten mit Gestellen und Geräten ausgerüstet.
Ich gehe ohne meinen Mund oder meine Worte zu schützen, ich gehe vorüber an
dieser hochgerüsteten Bettenarmee und fühle die Angst Nägel in meine Fersen
schlagen.
Ich atme ein. Ich atme aus. Ich gestehe dir meinen schweren
Gang, die Angst in den Schuhen, ich gestehe dir, dass ich nicht weiß, wann die
Zukunft sich ändern wird. Du lachst und schlägst mir auf den Hinterkopf, als
wolltest du mir einen fremden Schalk aus dem Nacken schlagen. Ich greife deinen
Arm und werde laut. Du lachst einfach weiter und windest
deinen Arm aus meinem Griff. Du warst immer schon stärker als ich. Ich lasse
dich lachen und gehe langsam weiter, die aufgerissene Haut an den Fersen
spürend. Deine Haare zittern. Jedes einzelne Haar zittert. Die Angst, denke
ich, dich hat sie bei den Haaren gefasst und wir gehen weiter, legen auf jedes
einzelne Bett einen ultrasteril verpackten Einmalbezug. Einmal und dann nie
wieder, denke ich. Einmal zwischen diesen Betten wandeln, einmal diese Luft aus
den Maschinen atmen. Und dann nicht mehr.
Ich weiß nicht, wann und ob sich die Zukunft ändern wird.
Hinter oder über uns, ich kann es nicht genau orten, ertönt
das Dauerdröhnen der Wachdrohnen, eine automatische Stimme weist uns an, den
vorgeschriebenen Abstand zu halten, nicht stehen zu bleiben. Und dann die
strengere Zurechtweisung: Keinen Körperkontakt! Gehen sie weiter, erledigen sie
die Arbeit zügig! Das Drohnensurren wird dringlich, droht. Deine zitternden
Haare streichst du dir gekonnt zwischen Gummi und Ohren, ich sehe deine
schmalen Finger, dein Lächeln sehe ich hinter dem Mundschutz nicht. Ich fühle
mich ungeschützt und ziehe die Atemmaske über Mund und Nase. Die Drohne
begleitet uns noch einige Meter, sie surrt und spricht in kurzen Abständen. Die
automatisierten Anweisungen sind keinem Geschlecht zuzuordnen. Überhaupt ist
seit den Abstandsregeln die Geschlechterfrage weniger oft gestellt worden.
Durch die Halle, zwischen den Gestellen und Betten schallen unsere Schritte
wieder. Wir atmen, wir gehen, wir legen ultrasterile Einmalbezüge auf die wieder
unbelegten Matratzen. Hinter uns rückt der Kontrolltrupp nach. Sie prüfen die
Beatmungsgeräte. Für den nächsten Tag werden tausend Neuankömmlinge erwartet.
Alles muss geprüft, gereinigt und vorbereitet sein. Diejenigen, die zuvor in
diesen Betten lagen, sind bereits am Vortag verabschiedet worden.
In meinen Schuhen schlägt die Angst weitere Nägel, von den
Fersen arbeitet sie sich zum Mittelfuß vor. Meine Schritte sind langsam, sind
schwer, schmerzen. Die Drohne schwirrt irgendwo durch die Halle, ich weiß, sie
haben mich im Blick. Dort in ihrem Kontrollraum, auf ihren großen Monitoren
sehen sie mich, sehen uns, wie wir gehen, wie wir arbeiten, sahen, dass ich
deinen Arm griff, sahen, dass du stärker bist als ich. Vor ihnen sind wir
ungeschützt. Auch außerhalb dieser Halle ist ihr Surren zu hören. Sie sehen auf
ihren breitaufgestellten Monitoren wie ich esse, wie ich schlafe.
Was ich denke, sehen sie noch nicht. Aber auch das wird sich
ändern. Sie brauchten nur Monate bis alle, die übrig geblieben waren, für ihr
System relevant wurden. Wir wurden einfach umgeschult. Seit sechs Wochen bin
ich im System als Sterbebegleiterin registriert.