Sonntag, 19. April 2009

Ich war mit Freunden im Stadion. Fußballfieber griff um, Gebrüll und Gejaule. Einzig faszinierte mich die Massenbewegung. 50 000 Menschen in einem ausmachbaren Raum auf die Bewegungen und Jungenspiele zweiundzwanzig Männer reagierend. Die Stimmung blieb nach einer leichten Aufhebung zu Beginn des Spektakels trüb wie der Himmel. Die Masse von 50 000 begann sich bereits vor dem Schlusspfiff aufzulösen, weil wohl das Ballspiel der Männer auf dem Rasen sie zornig und gleichzeitig enttäuscht stimmte. Demnach hieß es für jene, die das Stadion frühzeitig verließen wohl; Augen zu und raus, nicht dabei, nicht schuld gewesen. Schuld ist vielleicht auch ein deutsches Gewächs, vor Zeiten gesät und bisher gehegt und gepflegt. Und immer sind wir auf der Suche nach ihr. Einer muss sie ja haben, irgendwo muss sie doch zu finden sein. Die Schuld hat schließlich immer einer, sie wächst wie Unkraut auch in den saubersten und feinsten Gärten.

Und nun sitze ich im Morgen dieses Tages und betrachte die schematische Darstellung eines Hexameters und überlege, über Lautbarkeit. Ist ein Gefühl, ein Empfinden, selbst das Kleinste oder das Stärkste verlautbar? Lässt sich das oft frühzeitige und sachte Gefühl anfänglicher Zuneigung in Rhythmus und Klang unserer Sprache übersetzen? Können wir mit dem, was wir an Ausdruckmitteln haben, der Ursache auf den Grund kommen? Und wenn ja, ist dann Klang und Rhythmus meiner übersetzten Gefühle denen eines Gegenübers ähnlich, hätte er ebenso von der Möglichkeit seiner Sprache Gebrauch gemacht und sei er demnach imstande, meine Verlautbarung zu verstehen?

Kann ich sagen, was ich empfinde? Oder benutze ich nur Worte, denen wir per Definition unser menschliches Empfinden einverleibten? Und so gelange ich zu einem vorgestrigen Gedanken.

- exhibitionistisch tat sich die Welt mit Tor und Türen vor mir auf –

Diese Zeile schrieb ich und ließ sie als Anfangszeile eines möglichen Gedichts stehen. Es ist sprachlich nicht vorzeigbar verhält sich jedoch in dem Sinne weiter, dass es die Idee formuliert, der Mensch werde mit seiner Geburt in eine für ihn vollkommen nackte Welt geworfen. Doch bereits wenige Zeit später, wird dem Menschen die bloße Welt mit Wort und Sinn, (Geklang und Geklimper heißt es im Gedichttext weiter) bekleidet. Die Welt wird dem Menschen hinter seiner Sprache versteckt und dort bleibt sie ihm womöglich zeitlebens verborgen.
Natürlich kann jetzt im gedachten Gedicht ein Punkt der Erkenntnis folgen, demnach eine tragische Wendung. Denn wie kann der Mensch ankommen gegen etwas, womit er sich und seine Umwelt definiert oder auch erst erfährt? Obwohl er nun weiß, dass genau dieses es ist, nämlich die Sprache, was ihm die Welt vermantelt also ihm die Weit- und Fern- und vielleicht auch die Darüber-Hinaus-Sicht einschränkt? Kann der Mensch, die ihm angetragene Sprache ablegen und sich gleichzeitig der Nacktheit, den offenen Toren und Türen der exhibitionistischen Welt aussetzen?
Wenn die Sprachfähigkeit jedoch eine Notwendigkeit zum Verständnis bildet, wird der Mensch die nackte Welt wohl kaum erkennen und verstehen können. Also nähern wir uns nach dem Erkenntnispunkt im Gedicht einem dramatischen Schluss an?
Ist der Mensch durch seine notwendigen Mittel begrenzt?

Donnerstag, 16. April 2009

Es ist eine spröde Zeit der Sprache. Die Wissenschaft raubt den Glanz und lässt ihn uns gleichzeitig erst begreifen. Diesen Glanz, der überall hindurch glimmt, der hier und dort unfassbar dennoch immer vorhanden bleibt. Ich stecke wie in einem Mantel aus Unkenntnis, und an diesem Mantel die Knöpfe zu lösen allein, ist, als risse ich mir in die Haut, ins eigen Fleisch und Blut.

Während die Stadt ihre Trümmer beseitigt, während der aus Afghanistan nicht mehr hier sondern anderswo ist, während seit Monaten keiner mehr kam und mir einen Gedichtband schenkte, habe ich zu studieren begonnen. Beklemmt sitze ich zwischen meinen Lebensstühlen. Dem einen, der mich zur Arbeit gehen und das Alltägliche bewerkstelligen heißt, auf dem anderen, der meint, ich sitze allerorts nur auf der Arbeit, im Alltäglichen nicht am rechten Platz. Und wie ich mir die Stühle aneinander rücke, nicht mehr zwischen ihnen zu sitzen, rücke ich ab.

Vor mir tut sich exhibitionistisch die Welt mit ihren Toren und Türen auf.

Was nutzt es, den Regen zu verstehen, wenn die Verwüstung längst begonnen hat? Was nutzt mir die literarische Landschaft, wenn ich mich in ihr wie auf einem Minenfeld bewege?

Ich schleiche durch die Treppenhäuser der Sprache, höre den Nachklang mir ferner und fremder Schritte. Luge nur mit einem winzigen Blick hinaus und nebenher und sehe nichts als die sich entblößende Welt.