Donnerstag, 30. Juni 2011

Der eine oder andere geschriebene Gedanke zum Schreiben. Wie weit lässt eine Sache, mit der sich ein Mensch beschäftigt, auf den Menschen schließen? Und ebenso: Wie weit der Mensch auf die Sache? So wie das Sehen die Wahrnehmungen und die Wahrnehmung das Sehen beeinflusst? Bestimmt? Vorgibt? Ermöglicht? Oder viel mehr doch der Wille … sind wir gewillt dorthin zu sehen, woher unsere Augen Reize empfangen? Und sind wir gewillt, gegenwärtigen Reiz aufzunehmen, einzuordnen, zu verstehen? Fragen folgen Fragen. So ist das mit Sachen. Ist eine angestoßen, stößt sie unweigerlich weiter. Und weiter. Immerfort nur weiter. Demnach ließe sich auch die Neugierde oder das Interesse als unaufhörliche, niemals endende Energie verstehen. Nur wandelbar, aber nicht auszulöschen. Schöne Vorstellung!

Schillerauge und Schmetterflügel. Die Welt bleibt für mich doch bedeutend schöner, im Verständnis der rätselhaften Erklärungen. Welches Auge welches Einzelteil des Gesamten erkennt, wird wohl dem eigentlich Erkennenden unbegreiflich bleiben. „Gott“ als der Träger unser aller Augen: das Bild mag ich. Und ich stelle mir diesen „Gott“ vor, wie er schaut und guckt und gar nicht weiß, wo sich welcher Mensch den blinden Fleck erlaubt.

So schwanke ich themenweit. So ist das beim Lesen von Essays.

Doch ich begann mit den geschriebenen Gedanken zum Schreiben. Und jetzt stelle ich mir die Frage: Denkt Huhn oder Ei über Huhn oder Ei nach, denkt einer vom anderen oder einer von sich als erster oder zweiter Position oder extremer als erste oder zweite Existenz nach? Nun ist das Schreiben an sich eines Gedankenganges nicht möglich, wird man hier einwenden können. Doch ergibt das geschriebene Wort abermals eine neue Stoßkette. Eine, wie wir sie Oben schon bei der Neugierde oder dem Interesse betrachtet haben. Ebenso stellt der Gedanke sich wörtlich in den Raum. Was Huhn und Ei und Gedanke und das Schreiben an sich verbindet, ist der darüber nachdenkende Mensch. Bin ich, Mensch, es also, in dem die Sichtweisen sich addieren vielleicht sogar multiplizieren oder subtrahieren oder auch dividieren?

Wer weiß schon immer Antworten? Aber das Fragen und Denken darüber macht Spaß.


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Mittwoch, 29. Juni 2011

Die Straßen. Noch regennass und ich wilde und renne, wie ich schon durch andere Texte wilderte und rannte. Hast du mich gesehen, wie ich auf der Kreuzung, wie ich zwischen den Leben gestanden habe? Ich stand dort und machte keinen Schritt. Ich ging nicht weiter. Nicht auf dich ein, nicht auf die Seite der Übrigen zu. Ich stand nur. Regennass vielleicht. Und auch jetzt sind die Straßen, wie sie immer schon gewesen waren. Liegen vor meiner Tür, liegen mir vor den Füßen, wollen nur beschritten und wollen richtungweisend sein.

Und womöglich unterschätzen wir die Straßen. Vielleicht führen sie nach Afghanistan, führen aus den Waffen- und Munitionsbunkern hinaus und dorthin, wohin der Eine und der Andere geschickt werden. Wo sie mit Maschinengewehren im Anschlag umher treiben, als trieben sie Vieh durch die Wüste. Aber die Wüste wird sich nicht auftun und von uns gefühlte Gerechtigkeit ausspucken.

Ich könnte mich aus der Einzelhaft, die ich mir zugetragen habe, entlassen. Könnte mir Schuhe und Weichen stellen, hinaustreten aus mir und den übrigen Ängsten. Ich würde einen Birnenbaum pflanzen und Hühner darum laufen lassen. Dann säße ich und schaute zu, wie alles Huhn und birnbaumend wird. Vielleicht schrie ich nach Jahren. Schrie nach einem Förster, einem Jäger und Schlächter. Und wenn der käme und mich fragte, was zuvor gewesen war, ich wäre ganz leise und guckte. Straßen. Würde ich sagen.

Dienstag, 21. Juni 2011

Sie sagen: „Leben Sie wohl!“, und ich schaue und wundere mich über das, was geschieht. In mir geschieht etwas. Wie andernorts ein Glück oder Unglück geschieht. Es kommt ohne Ankündigung, kommt und ist schon da, während man erst noch das Herankommen begreift.

Auf und Davon und Wohin und mit Wem?

Nichts hört auf zu kreisen. Nicht um sich selbst, nicht um einen anderen Sinn. Atem holt der Eine, als würde er Wasser holen. Trägt schwer und schultert sich die Last. Ich staune und weiß nicht, wo all die sind, die ich nah und in mir trug. Trug sie verschlossen und ebenso zur Schau. Trug groß und klein an Ihnen und immer auch etwas von mir. Mit denen, die mir nahe sind, trage ich Teile von mir. Um die Welt kreise ich so, um mein Leben und vielleicht auch um einen anderen Sinn.

Asphalten ist meine Haut. Ist hier ganz breitspurig und löchrig geworden. Und auch sonst bin ich der Stadt ähnlich. Bin ganz verschieden zur Stille im Wald, zur Dämmerung am See, bin nicht mehr ich, wie ich war. So grün wie sattes Gras hinter den Ohren, unter den Armen, zwischen den Beinen.

Letzte Wege laufen sich schwer. Mit verbundenen Augen könnte man sie gehen. Und dabei ist jeder Schritt in seiner Vertrautheit so fremd, dass es schmerzt, als ginge man über Scherben. Es ist nur das Wissen. Das Wissen um dieses letzte Mal. Die Kraft, mit der man versucht alles um einen herum noch einmal wahrzunehmen, als hätte man Jahre zuvor immer nur den kleinsten Teil von all dem, was einen umgibt gesehen. Man saugt und atmet und versteht plötzlich, wie Atemholen wie Wasser holen sein kann.

Schwer.
Schwer.
Schwer.

Und bei jedem Schwanken verliert man ein Wenig. Geriet in Atemnot.

Mittwoch, 15. Juni 2011

Es ist unumkehrbar. Wir ziehen. Mit den Füßen voran stellen wir Abstand her. Abstand zu dem, was uns lieb ist, zu jenen, die wir vermissen werden. Wir ziehen größere Kreise. Und vielleicht bei Sonnenaufgang sehen wir, was kommen wird, sehen gleichzeitig, was gewesen sein wird. Was bleibt. Irgendetwas bleibt immer. Zurück oder auch unerkannt. Ich werde mit den Füßen auf morgiges Gras treten und ein Rest von Übermorgens Gestern wird im Gras gelegen sein. Klein und ein wenig verunreinigt wird es gelegen und kaum Beachtung gefunden haben. Wer in größeren Bahnen die Erde umreist, sieht seinen Lebensort Galaxie, sieht ihn Universum werden, wird Kosmonaut.

An den mit dem Gedichtband werde ich nicht lange denken. Seinen blumigsüßen Geruch werde ich nicht erinnern wollen, nicht seine alten Hände, den breiten Kopf. Er wird einer der Ersten sein, der in meine Vergessenheit hinein und dort nirgends heraus geraten wird. Er und die ihm so Gleichen. Es wird mich keine Mühe kosten, sie kleinstmöglich gefaltet abzulegen. Um Raum und ebenso Gewicht zu sparen. Denn wenn ich in größeren Kreisen reisen möchte, soll nichts mehr mich beschweren dürfen, denke ich und versuche die ersten, leisen Sprünge in die Luft.

Keiner sieht mich. Keiner hört mich. Nicht hier und anderswo ebenso wenig. Im Abstand zu dem, wo ich jetzt noch bin, wird es anders nicht werden. Leiser – vielleicht. Menschenarm. Und womöglich entferne ich mich nicht der Welt, sondern nur mich von mir. Wie viel Abstand zu sich selbst bedarf es, um sich selbst zu erkennen?

Ich ziehe. Fäden, Leinen, Taue. Mich selbst durch ein Nadelöhr Unbekannt. Ich schaue auf die Stadt, die ich hinter mir lassen werde. Habe ich hier in ihr in Menschen Brände entfacht? Feuer habe ich gesehen. Asche und Schutt. Herzumrandete Magnolienbäume, Kinderhände. Ich habe hier Vögel sich Federn reißen sehen, sah Häuser einstürzen und das Unterorts dieser Stadt. Habe ich Menschen gekannt? Meine Lippen lagen an Mündern, meine Hände rieben andere Haut. Ich habe in Wohnungen geschlafen, gegessen, gebadet. Weinend und lachend habe ich Menschen umarmt. Getrunken. Ich habe verflucht. War ich glücklich? Ich war mit nackten Füßen über warmen Asphalt gelaufen, habe den Ratten am Fluß beim Spiel zugesehen und auf der Wiese Erdbeeren genascht. Ich habe mit verbundenen Augen eine Richtung eingeschlagen, aus der ich nun kommend weiterziehe. Ich habe gelebt.