Montag, 29. Oktober 2007

Gewicht ablegen. Als ob ich das so einfach könnte.

Der mit dem Gedichtband. Ich habe ihn gesprochen. Er kam, und er blieb, und ich sagte dies und sagte dann das. Aber der wusste gar nicht. Dabei lächelte er, lächelte zögernd, über - ein zurückhaltend - weit hinaus. Ich sagte nichts mehr, und zum Abschied keinen Gruß, nur ein Nicken. Eine Verständlichkeit.

Am Fluss bin ich lange nicht gewesen. Habe ihn aus der Höhe im Fernsehen gesehen. Wie ein Aasfresser über dem Tatort. Aber wirklich erkannt habe ich die Stelle nicht. Bin ausgewichen und habe das Programm gewechselt. Wenn ich etwas Schauriges sehe, dann nehme ich es mit in den Schlaf. Dort weitet es sich aus, und alles wird ganz schaurig. Plötzlich.

Stadtbilder.

Ich schaue einfach darüber hinweg.

Der aus Afghanistan schreibt:

>fröhlich kann ich euch verkünden, das ich wieder heil und in einem Stück in Deutschland angekommen bin.<

Schön.

Montag, 22. Oktober 2007

Ich stehe hier jeden beschissenen Tag und biete die Abos an, die keiner haben möchte. Möchte doch keiner mehr wissen, was in der Welt geschieht. Ist doch online alles schneller, aktueller. Wer liest noch Zeitung? Die hinkt hinterher. Nicht mal kostenlos wollen die Leute sie haben. Für keinen Preis der Welt interessiert sie, was in ihr passiert. Weggucken. Das lernt man schon in der Schule, vom eigenen Heft auf das des Nächsten schielen. Darüber hinaus wäre zu viel des Guten.
Und wenn man hier steht, Tag für Tag, lernt man die Seltsamkeiten der Straße kennen. Die immer gleichen Gesichter, die immer gleichen Rhythmen, in denen die Geschäftigen morgens zur U-Bahn schwanken. Und wenn die dann das Feld geräumt haben, kommen die Tanten und Omchens. Die schlendern und schnacken. Kommt man sich vor wie auf der Federviehtauschbörse. Ist auch der Trubel vorüber, treten aus den Hauseingängen die Penner und Säufer. Dann stellen sie ihr Becherchen auf den Gehweg, breiten ihre Decke oder manche haben sogar einen Schlafsack, aus und nehmen Platz. Dort harren sie dann aus, den Tag, die Nacht, die Woche, ein, zwei Monate. Bis das Ordnungsamt sie vertreibt, weil vielleicht ein Stadtfest, eine Kirmes, Weihnachtsmarkt oder sonst etwas ansteht. Da wird die Stadt gefegt. Nichts darf auf den Straßen liegen. Niemand.
Auch ich muss dann für die Zeit meinen Stand wegräumen. Bringt ja kein Geld ein, nicht der Stadt. Und Touristen wollen noch weniger über das Weltgeschehen informiert sein. Die interessiert dann nur der Dom, die überteuerten Maronen, die kreischenden Karussells. Deren Blicke gelten nur diesem bunten Treiben oder aber einer FalkFaltungStadtkarte. Also packe ich mit den Pennern und Säufern meine Zeitungen und suche mir einen anderen Ort, einen Platz, an dem es sich vielleicht lohnt umzuschlagen.

Donnerstag, 18. Oktober 2007

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"Die Stadt. Ja. Dieses unaussprechliche Ding zwischen den Zähnen. Ich beiße und renne die Straße entlang, ramme jede Laterne. Wie beim Skislalom. Beiße mir an diesem kreisrunden Ding die Zähne aus. Hast gesagt, ich würde es lernen, und zur Not würdest du es mir eindreschen. Das ginge dann schon. Laufe wie ein Clown und frage mich, was besser ist, wie ein geschlagener Clown oder wie eine geschlagene Frau auszusehen. Vielleicht kann ich die Schminke noch umtauschen. Sehe ja fürchterlich aus. Dreschen. Das kennst auch nur du, dieses Wort.

Guck doch! Wie die mich glotzt! Schlampe!

Nich nen Clown jesehn?

Ich kann es kaum noch aushalten. Diesen Gestank, das Licht. Diese ganze verschissene Tour. Weißt du, ich habe dich gesehen. Wie du dir die reingezogen hast. Aber das ist mir egal, fick doch, wen du willst!

Ich renne und kotze auf dich. Auf die Stadt, auf den ganzen verlogenen Scheiß. Draußen, dort, wo ich herkomme, gibt es solche wie dich gar nicht. Ihr kommt nur, wenn ihr jemanden braucht, weil die Stadt keine mehr hat. Dort habt ihr schon alle gedroschen. So ist es doch. Oder? Oder!

Kommt raus aufs Land und nehmt, was euch gefällt. So läuft das doch. Wenn ihr darauf keinen Bock mehr habt, fahrt ihr eben wieder raus. Bei den Bauern gibt’s ja immer was, und dafür müsst ihr nicht mal was zahlen. Wollen ja alle in die Stadt, die dummen Hühner."

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Da begegnet mir einer. Einer, den ich kenne. Nur die Zeit, die dazwischen liegt. Da stehen wir und wissen nicht, was wir aus der Begrüßung machen wollen. Eine Umarmung, einen Luftkuss links und rechts vorbei, einen Händedruck, eine gewohnte und lieb gewonnene Distanz? Wir reichen uns die Hände und suchen einen Ort, einen Tisch am Fenster. Mit Aussicht, sollten wir nichts zu sagen finden. Er sitzt und ich muss ihn anschauen. Die Augen, die Haut, die gefalteten Hände.
Und, wie geht’s dir?
Ich lächle und warte mit der Antwort. Ich weiß nicht, was er hören möchte, mein Befinden, mein Arbeiten, meine Liebe. Wie geht es dir?, hat er gefragt. Nicht, was machst du, bist du noch zwischen den Büchern, noch immer mit dieser Frau – wie war noch ihr Name – zusammen. Oder. Bist du gesund?
Ich schreibe.
Und jetzt lächelt er. Er sieht nicht gut aus.
Du bist ruhiger geworden.
Ja.
Ich betrachte ihn und er schaut aus dem Fenster. Dahinter steckt der Herbst in den Bäumen. Ein Jahr. Ich habe meinen Namen geändert, meine Adresse, mein Leben. Und ich sehe, ihm ekelt davor. Vor dem Leben.
Arbeitest du?
Ja. Nur montags nicht. Meine Oma wird sterben, meine Mutter ist krank.
Ich sage nichts. Draußen fällt Laub. Das ist es, was der Herbst liegen lässt. Wir sind hier. Es tut gut, fühlt sich nach etwas an. Deswegen bleiben wir, vielleicht auch deswegen, weil wir nicht wissen, was wir aus dem Abschied machen sollten.


Montag, 15. Oktober 2007

Performance.

Was stelle ich dar? In Wort und Laut, Schrift und Text. Was stelle ich sprachlich dar?

Oder schreibe ich um den heißen Brei? Viel mehr noch, weiß ich gar nicht um den Brei, um den ich schreibe? Huhn oder Ei. Finde ich schreibend zum Thema oder ist das eigentliche Thema Auslöser des Schreibens?

Hach! Grundsatzfragen!

Zum Grund hinabsteigen, im Kaffeesatz wälzen und wühlen, ihn deuten und lesen. Wissen schöpfen. Mit der Kelle, mit dem Löffel. Auch mit einer Gabel, wenn nichts anderes zu greifen ist. Oder mit den Lippen schlürfen, was im Elternhaus verboten war.

Schlürf nicht!

Schöpfe kein Wissen, denn das ist Versuchung. Dem Versuch erliegen. Erlegen sein.

Das schwache Weib ist so nah am Wasser gebaut. Hat vielleicht auch deswegen vor dem Manne schwimmen gelernt, Schwimmhäute zwischen Leber und Milz.

Wieder nur ein Überleben.

Wir schwimmen, bauen unsere Häuser im Wasser und wissen um den Manne, der am Ufer den aufrechten Gang übt. Trainiert, bis die Muskeln vom Knochen durch die Haut treten. Er VerÄußert sich.

Performance.Ach,Wa










Ach, weißt du, ich glaube - Giraffen darf man gar nicht als Haustiere halten.




Der mit dem Gedichtband, ich sah ihn, wie er an der Kreuzung stand und dann die andere Richtung wählte. Ich schrieb ihm. Habe gemeint, Stadtkinder wüssten nicht, wann Schwalben sich sammeln. Sie haben kein Bild vom “Schwalbenstacheldraht“ vor Augen, die imaginäre Grenze zwischen Sommer und Winter. Ich konnte ihm nicht nachlaufen, stand hinter Glas zwischen Büchern und Menschen. Und davor eine Mutter mit Kind, deren Worte durch die offene Tür drangen, drangen einfach herein und an mein Ohr. Diese Giraffengeschichte.

Vor den Fenstern blühen die Baumkronen ein letztes Mal golden auf. Mit den Beinen an den Heizkörper und mit dem Kopf gegen das Fensterglas gelehnt, schaue ich und weiß, es wird wiederkehren, alles Sonnige, alles Jubelhochjauchzende. Zu allen kehrt die Aussicht zurück, selbst zu den aussichtslosen, den jetzt noch verschlossenen Fenstern, aus denen einer fiel oder sprang, letzte Aussicht genoss.

Aussichtsschluss. Wir sind Montag bis Donnerstag von 12.00 – 14.30 Uhr für Sie da !

Donnerstag, 11. Oktober 2007

Seit Tagen nichts Neues. Sehe zu, wie mir die Haare aus der Nase wachsen. Kann beinah hören, was so unschön anmutet, als wüchsen sie mir in den Ohren. Arm in Arm gingen wir, spazierten das Flussufer entlang, den Wind im Kragen, so dass wir die Mäntel höher schlossen als eigentlich gedacht. Schlenderten so, weil die Zeit uns nicht im Nacken saß, wir waren jung, sind alt geworden und haben so nah dem Tod endlich gefunden, dass Zeit kein rechtes Maß ist. Kein Maß für einen, der weiß, das Ende hat mit dem Anfang schon längst, schon lange dem Ganzen voraus, begonnen.

Doch seit Tagen nichts Neues von dir. Mit den gichtschweren Fingern krause ich mir das Haar, während der Wasserkocher sich stumm schreit. Irgendwann wird alles in Flammen aufgehen. Und all das nur, weil ich nicht hochkomme, weil ich den Stuhl breit sitze, breit mit meinem Gewicht, mit meinen Gedanken an dich.

Ich denke daran, mir den Mantel überzuwerfen, zum Fluss hinab zu steigen und spazieren zu gehen. Allein war ich in den letzten Wochen selten. Du warst immer an meiner Seite. Manchmal wollte ich nur in den Himmel schauen, nur ans andere Ufer.

Die Schlüssel habe ich schon in der Hand, die Schuhe an den Füßen. Es sind nur acht Minuten. Nur eine kurze Zeit bis hin. Zum Sterben.


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dez`06

Dienstag, 9. Oktober 2007

Brich die Absätze von den Schuhen! Läufst du noch? Wir rennen schon! Schau, auf der anderen Seite rennen die Krähen, deren Flügel wir stutzten. Red nicht von Gott und Engelsfedern. Renne! Hinterdrein höre ich Schritte und spüre Fersentritte. Zwischen den Beinen, auf dem Rücken, oben- und untenauf. Wie sie hetzen und dabei ins Stolpern geraten. Die jagende Meute und ihr Gestank, der vorauseilt, uns längst gestreift und überholt hat. Aus den Gräbern zum Himmel hinauf. Das hält keine gute Seele aus. Renne, sonst kommst du im Leben nicht an !

Ich amputiere Finger. Da bedarf es keiner Feingliedrigkeit. Hau drauf und ab. Im Garten steht der Holzblock, drin steckt die Axt. Ringsum sieht es aus, als habe einer ein Huhn gerupft. Das beginnt im ganz Kleinen. Und dann wird es groß.

Ich adoptiere Wünsche und Träume ohne Einkommensnachweis, ohne Haus und Hof. Wer nicht wohin mit den Klagen der unerfüllten Wünsche weiß, die ihn Tag und Nacht wach halten, kommt zu mir. Am Briefkasten habe ich ein Schild angebracht. Traumklappe. Das ist für die, die nicht erkannt werden wollen. Irgendwann ist immer Zeit, und das Unerreichbare betrübt nur noch.

Aber ich habe eine Axt. Damit stutze ich Flügel.

GesellscHaft. Da ist man auch nur gefangen. Nicht anders als in Einzelhaft. Nur dass man als Geselle wie ein Mitglied zählt. Oder einen Brief als Errungenschaft eines Handwerks vorlegen kann. Aber schließlich als Einzelner, als Mitglied in Haft.

>… ich zolle dem Anderen ja gerade deshalb meine Beachtung, weil ich glaube, daß er auf dem Gebiete des Antwortenkönnens mir ebenbürtig ist. <

José Ortega y Gasset -Der Mensch und die Leute-

Kehrt der Einzelne sich deshalb der Masse zu? Weil die Haft, der er so oder so ausgesetzt ist, im Zusammenkommen mit einem Anderen erträglicher wird? Und kehrt sich der Einzelne aus demselben Grund von der Masse wieder ab, weil womöglich der Andere durch seine Antwort deutlich macht, ihm nicht ebenbürtig zu sein? Hin- und Rückkehr. Demnach macht eine soziale Inkompetenz keinen Sinn. Niemand ist sozial unfähig. Lediglich der Gegenüberstehende entspricht nicht, und so dauert die Suche fort.

> Die Grundlage der Scham ist nicht irgend ein persönlicher Fehler, sondern die Schande, die Erniedrigung, die wir dabei empfinden, daß wir sein müssen, was wir sind, ohne daß wir es uns so ausgesucht haben, und es ist das unerträgliche Gefühl, daß diese Erniedrigung von überall zu sehen ist. < Milan Kundera, Die Unsterblichkeit

Hänge in den Kleidern und weiß nicht, ob das so weiter geht. Was weiß ich von Morgen vor Morgen? Kann mir mit dem Wissen bis Übermorgen Zeit lassen, dann hat es Bestand, Gewissheit. Ich trinke, rauche nicht, gehe vor Morgengrauen zu Bett, und wenn ich esse, dann, weil ich zuvor gekocht habe. Eben wie ein Schrank, in dem nichts als Kleider hängen. ZweckErfüllt.

Zumeist schätze ich Distanzen falsch ein. Ob es sich nun um nahe Liegendes oder Fernes handelt. Die Tasse knallt auf den Teller und alle im Café schrecken auf. Selbst ich bin erschrocken. Da greife ich ins Leere, weil das Greifbare weiter ist als gedacht, angenommen, abgeschätzt. Das ist nicht tragisch, wirst du sagen. Aber Umhertreibende bemerken es. Ich bin von allen Seiten einsehbar. Und du musst ganz deutlich darüber denken, was es bedeutet, Nähe sowie Ferne falsch zu bemessen, und ob ein Maßband da überhaupt noch Abhilfe schaffen kann.

Unbeschwert. Gewicht ablegen. Ich könnte hungern, allerdings habe ich schwere Knochen. HA ! HA ! Das sagt Jede, die sich beleibt meint. Schwere Knochen ! Das ganze Gerüst wiegt schwer, muss schließlich Leben tragen. Mensch!

Wäre ich gern hochbegabt? Dann hätte ich einen Grund, eine Ursache, eine Ausrede für die soziale Inkompetenz. Hochbegabt. Begabt hoch zwei. Und ein anderer bleibt auf der Strecke. Zurück. Zurückgeblieben. Vielleicht ein Leben lang wartend auf Rückkehr des abhanden Gekommenen. Begabt unten zwei. Das ließe sich aufaddieren, aufmultiplizieren.

Emotional hochbegabt? So einer ist nicht überlebensfähig. Emotionale Überintelligenz ist unlebbar. Nicht auszuhalten. Unerträglich.

Unterbewertet. Gesellschaftlich. Da rede ich mich selbst hinein. Fühle mich emotional und intellektuell unterbelichtet vom zuständigen Personal zur Betrachtung der Lage. Dabei muss ich schmerzlich gestehen, stelle, setze (oder überhaupt) ich mich selbst in Pose. Positionierungsdrang. Oder. Wenn nicht hochbegabt, dann zumindest doch unterbemittelt, weil: für dazwischen gibt es kaum einen Grund.

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> Liebe ist unbelehrbar, das macht sie zur Provokation. <

Angela Krauß

Wenn man das Wort -Provokation- synonymisiert (unschönes Wort), stößt man auf Begriffe wie:

  • Herausforderung
  • Aufreizung
  • Brüskierung
  • Kampfansage
  • Kriegserklärung

Donnerstag, 4. Oktober 2007














War unterwegs. Und ich hatte das Gefühl, den Wind immer im Gesicht, niemals im Rücken zu haben. Das Meer. Das Land. Die Dünen dazwischen, kurz hinter der Brandung, nur knapp vor den Häusern, die sich hochzogen wie Felsen. Wir waren zu Fuß und unter den schweren Schuhen knirschten die Muscheln. Knirschte all das, was das Meer einfach lässt. Liegen lässt. So wie der Winter den Schnee.

Wir sprachen, doch ich sagte kein Wort. War ganz ungläubig. Wollte sie nicht fassen, weil sie sich nicht fassen ließ. Die Weite, diese Ferne, das ewig Hinausreichende. Und wie die Schiffe, diese eisigen Monster auf ihr spazieren, balancieren. Dort und immer noch weiter. Hinaus.

Geh nicht! Sagtest du. Ich ging. Mit den nackten Füßen und einer Mütze auf dem Kopf. War aus den Schuhen, die für die Berge gemacht sind, gestiegen und ins Meer gegangen. Mit bloßen Füßen und grünen Hauptes.

Mit der Ebbe beginnt immer schon die Flut. Das sagtest du auch und ich lachte. Lachte, weil es eine Phrase war, und du im nassen Sand saßest und dir vom Brot ein Stück heraus brachst. Und dann auch vom Käse, als hättest du seit Tagen nichts gegessen. Die Wenigen schauten uns an oder zu, und wir beobachteten die Drachen über unseren Köpfen, und wie der Himmel sich zuzog, schwarz und gewittrig wurde.