Mittwoch, 16. August 2017



Ich habe gehört, in Amerika hat ein Zweijähriges Mädchen die Mutter mit deren Pistole erschossen. Das ist doch Wahnsinn! Wissen sie, das mit dem Tod, das ist wie mit Streichhölzern, das ist nichts für Kinderhände. Die eigene Mutter erschossen, die ist jetzt nicht mehr und das Kind muss damit leben, muss damit vielleicht 100 Jahre lang am Leben bleiben.

Spricht auch keiner drüber. Der Tod ist so etwas Unausgesprochenes. Bei uns jedenfalls, also in der Familie. Wir sagen dann: der ist nicht mehr. Was ja auch stimmt. Der ist ja nicht mehr. Nicht mehr existent, nicht mehr unter uns, nicht mehr am Leben, nicht mehr zu sehen, zu hören, zu riechen. Einfach überhaupt nicht mehr. Nirgends. Und deswegen lässt sich da auch gar nichts sagen. Wie wollen Sie denn etwas sagen, was nicht ist. Und wie wollen Sie etwas sagen, was sie nicht sagen können?

Um das zu verstehen, muss ich nicht Wittgenstein gelesen haben.

„Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.“, sagt der. Nein, sagt der nicht, ist ja längst tot, hat er aber aufgeschrieben, sodass man es nachlesen kann – noch lange nach seinem Tod. Von dem ist da also doch noch was.



Mütterlicherseits alle tot. Familiäres Todesalter zwischen 40 und 50 Jahren. Familiäre Todesursache: plötzliches Herzversagen.


Soldaten zum Beispiel, ja. Da heißt das nicht einfach, der ist nicht mehr. Heißt auch nicht, der ist tot. Der Umstand, durch den ein Soldat das Leben verliert, habe ich gelesen, entscheidet, was zu sagen ist. Ob der nun ein Gefallener oder ein Getöteter ist. Muss man sich mal vorstellen, als würde das irgendwas ändern. Vor allem für die, die da eben noch sind und noch Jahre vielleicht bleiben. Gefallen ist der Soldat nämlich nur, habe ich gelesen, wenn der durch gegnerische Fremdeinwirkung zu Tode gekommen ist. Ansonsten ist der getötet. Was weiß ich, wenn ein Panzer aus eigener Reihe den umfährt oder so. Oder wenn der rennt, weil der vielleicht vor Gegnern flüchtet und dann einen Herzinfarkt hat. Dann ist der nicht gefallen, wenn der denn dadurch gestorben ist, also durch den Herzinfarkt. Aber getötet ist der dann doch auch nicht, ist eben gestorben, wie wir Nichtsoldaten sterben. Oder?

Wie kommen denn Soldaten zu Tode, wenn nicht durch gegnerische Fremdeinwirkung, und ist das nicht sowieso doppelt gemoppelt. Ist der Gegner nicht immer der Fremde? Sollte es eine nicht gegnerische Fremdeinwirkung geben? Das verstehe, wer wolle. Wenn es also aus den eigenen Reihen kommt, oder? Dann ist das nicht gegnerisch, aber wohl doch ein Fremdeinwirken.

Aber da hält man vielleicht auch besser die Klappe drüber. Über tote Soldaten spricht keiner gern. Über die Gefallenen, ja. Zu deren Ehren und so. Aber zum Beispiel über die, die sich selbst das Leben nehmen, also durch Selbsteinwirkung sterben. Da spricht doch keiner drüber. Warum die das machen oder wie viele das schon gemacht haben. Über Selbstmord zu reden ist eh ganz schwer. Selbsttötung. Ist schon ein hartes Wort und die Tat erst. Die können einem leidtun.

Was rennen die denn auch mit den Waffen durch die Wüste. Wird doch keiner gezwungen. Ich kenne einen, der das gemacht hat, aber der spricht da auch nicht drüber. Hält immer fein die Klappe oder sagt, sie hätten nur Straßen in die Wüste gelegt. Hübsch den ganzen Wüstensand asphaltiert.

Aber wenn du als Soldat durch die Wüste rennst, zum Beispiel, dann hast du dich doch vorher damit auseinandergesetzt, denke ich. Also mit dem Sterben. Da rennst du doch irgendwie dem Tod davon und gleichzeitig jagst du den vor dir her, jagst den Tod anderen in den Nacken, hetzt und hitzt, überhastet und stirbst.

Dienstag, 8. August 2017


Alles, was mich bewegt oder unbewegt lässt, sucht sich Platz. Sucht und kratzt. Sucht innen und außen, klopft und tropft, dringt hindurch.  Und ich muss gar nichts tun, denke ich. Also tue ich nichts. Bin bewegt und irgendwie auch unbewegt, bin da und atme - vor dem Neustart die Luft.