Sonntag, 21. Dezember 2008

Notiz über das Vertrauen

Inwieweit kommt das Anvertrauen an einen Menschen einer Selbsthäutung gleich? Und nach welchen Maßstäben wählen wir diesen Menschen aus, mit welchen Tugenden begegnet er uns, dass wir uns ihm hingeben, uns vor seinen Augen und seinem Herzen gänzlich bis auf das truglose Fleisch enthäuten?

Es mag eine Notwendigkeit sein, ein innerer Drang, der uns veranlasst nach diesem Menschen Ausschau zu halten, nach dieser Gelegenheit zu gieren und sie zu ergreifen, sobald sie sich bietet. Zu zeigen wer und was man hinter aller Fassade ist, ist eine von Geburt an in uns schlummernde Begierde. Eine Lust zur Entfaltung, eines Aufblättern all dessen, was man verborgen haltend gepflegt und gedeihen lassen hat. Nichts anderes tun wir, während wir auf der Suche nach dem richtigen Menschen sind, nach diesem einen, dem gegenüber wir meinen, das Häuten sich lohnt. Wir hüten und umsorgen unser Innerstes, so dass es sich in den wunderbarsten Farben und Tönen dem eröffnet, den wir auserwählen.
Notiz über das Denken

Liebensfähig heißt lebensfähig sein. Das haben viele kluge Köpfe durchdacht. Nun stelle man sich einen vor, der sich selbst unter die Haut geht, sich zerlegt und zur Erkenntnis gelangt, ihm fehlt diese Liebensfähigkeit, die doch überlebensnotwendig ist. Man stelle sich diesen armen Kauz vor, wie er erkenntnisreich zwar aber zergliedert an der Tatsache seiner Unfähigkeit zu Grunde geht. Und nun bedenke man, ob es für diesen einen nicht lebensrettend gewesen wäre, wäre er sich nicht bis aufs Innerste gegangen. Und überkommt einen da nicht die Traurigkeit, wenn man erblickt, welche Wirkung der Erkenntnis folgt?

Samstag, 20. Dezember 2008

Ich stecke irgendwo in der Zeit, in einem unbekannten, nicht definierten Raum, einem Punkt, der sich nicht ausrichten lässt. Ich bin weder jung noch alt, ich stecke inmitten, bin dahinter und bleibe knapp davor. Als stände man auf einer Brücke und kann sich für kein Ufer entscheiden. Steht also, weilt und wartet wahrscheinlich solange, bis die Brücke bricht.

David sagt: Der Körper ist auf einen Planeten beschränkt.
Ginka sagt: DU wirst Montag ein blaues Wunder erleben.
David sagt auch: Der Gedanke kann uns in einem Augenblick in die entferntesten Gegenden schicken.
Ginka sagt dann: Mond wird Mund. Du lässt dich gehen.

Und beide beginnen das Mondlied zu summen. Ich höre sie. Und sie wissen nicht, dass sie nur in meinem Kopf zusammen existieren, nur mir bildlich in Erscheinung treten, wie sie jeder für sich sind oder waren. Denn ich kenne sie nur aus einer Zeit, die gewesen, längst abgeschlossen und nur in Bruchstücken anhaltend ist.

Die Zukunft wird der Vergangenheit ähnlich sein. Behauptet David. Also ist das, was mich erwartet, dem, was ich kenne nicht fremd. Ich werde alt und wie ich schon immer gewesen war sein.



-
ginka steinwachs
david hume

Dienstag, 9. Dezember 2008

Die Zeit altert ihn aus den Kleidern, und die Einsamkeit lässt ihm das Herz hart wachsen. Es vergreist und schlägt dennoch einen Takt, der ihn antreibt. Wenn dieser Rhythmus nicht wäre, denkt er zuweilen, könnte er zur Ruhe kommen, sich ausklingen lassen und dem Sterben in die Hände geben. Aber solange das asphaltierte Herz hämmert, wird er dorthin zum Stillen nicht kommen. Er faltet die Hände über den Bauch, senkt den Kopf in den Nacken, fühlt durch die Haut sein hartes Herz schlagen und lauscht der Nacht. Wie sie hereinbricht, als wäre sie seit Jahr und Tag angemeldet gewesen. Stürzt durch Türen und Fenster, vergreift sich an allem, nicht nur an fassbaren sondern auch an allen unfassbaren Dingen. Und so geschieht es immer wieder, dass sie auch ihn ergreift. Sein Körper ist vom Dunkel des Zimmers kaum länger zu unterscheiden. Wie die Dinge im Raum, verliert er an Farbe, an Kontur. Bis von allem nur noch ein Umriss, eine Ahnung im Dunkel zurück bleibt. Die Nacht macht vor seiner Haut nicht Halt. Sie dringt tiefer, dringt ein, erreicht durch die Blutbahnen das Herz, breitet sich aus, dunkelt ihn innenwendig. Wenn es gelinge im Dunkel zu sehen, man sähe die Nacht durch seine Haut kriechen und aus seinem Mund atmen. Da, wo man die Wunde am wenigsten vermutet, ist sie am wehesten, sagte er, als er noch unter Menschen war.
In der Einsamkeit wird der Superlativ unablässig. Man ist nur sich selbst Freund oder Feind. Wenn es dem Einsamen schlimm ergeht, so ergeht es ihm am schlimmsten. Sein Leid ist das größte, seine Liebe die tiefste, seine Wirklichkeit die wahre. Der Einsame ist sich selbst Maßstab aller Dinge und Angelegenheiten.