Dienstag, 9. Dezember 2008

Die Zeit altert ihn aus den Kleidern, und die Einsamkeit lässt ihm das Herz hart wachsen. Es vergreist und schlägt dennoch einen Takt, der ihn antreibt. Wenn dieser Rhythmus nicht wäre, denkt er zuweilen, könnte er zur Ruhe kommen, sich ausklingen lassen und dem Sterben in die Hände geben. Aber solange das asphaltierte Herz hämmert, wird er dorthin zum Stillen nicht kommen. Er faltet die Hände über den Bauch, senkt den Kopf in den Nacken, fühlt durch die Haut sein hartes Herz schlagen und lauscht der Nacht. Wie sie hereinbricht, als wäre sie seit Jahr und Tag angemeldet gewesen. Stürzt durch Türen und Fenster, vergreift sich an allem, nicht nur an fassbaren sondern auch an allen unfassbaren Dingen. Und so geschieht es immer wieder, dass sie auch ihn ergreift. Sein Körper ist vom Dunkel des Zimmers kaum länger zu unterscheiden. Wie die Dinge im Raum, verliert er an Farbe, an Kontur. Bis von allem nur noch ein Umriss, eine Ahnung im Dunkel zurück bleibt. Die Nacht macht vor seiner Haut nicht Halt. Sie dringt tiefer, dringt ein, erreicht durch die Blutbahnen das Herz, breitet sich aus, dunkelt ihn innenwendig. Wenn es gelinge im Dunkel zu sehen, man sähe die Nacht durch seine Haut kriechen und aus seinem Mund atmen. Da, wo man die Wunde am wenigsten vermutet, ist sie am wehesten, sagte er, als er noch unter Menschen war.
In der Einsamkeit wird der Superlativ unablässig. Man ist nur sich selbst Freund oder Feind. Wenn es dem Einsamen schlimm ergeht, so ergeht es ihm am schlimmsten. Sein Leid ist das größte, seine Liebe die tiefste, seine Wirklichkeit die wahre. Der Einsame ist sich selbst Maßstab aller Dinge und Angelegenheiten.

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