Ich kann nicht atmen. Es gelingt mir
einfach nicht, die Luft aus dem Raum vor meinem Mund in den
Röhrenraum im Innern meines Mundes zu ziehen. Ich hole die Luft,
hole sie ein, hole sie über die Lippen, durch die geöffnete
Zahnreihe hinein, ziehe und sauge und fühle sie nicht tiefer
gelangen. Sie bleibt da irgendwo auf der Zunge, irgendwo in den
Taschen meines Zahnfleisches, irgendwo zwischen den Papillen auf
meiner Zunge. Aber tief in meinen Röhrenapparat hinein gelangt diese
Luft nicht. Bleibt einfach stehen, als vermute sie in der Tiefe, die
sich hinter meinem Zäpfchen auftut, ihr Verderben. Ein Verderben im
schwarzen Schlund meines Körpers. Ich kann sie verstehen, die Luft.
Nur meinen Saug- und Röhrenapparat verstehe ich nicht. Er muss
kaputt gegangen sein. Sodass ich hier sitze und um diese zur
Verfügung stehende Luft ringe, sodass mir hin und wieder schwindlig
wird, und ich dem Mund weit aufreiße, um überhaupt noch etwas von
der im Raum vor meinem Mund zur Verfügung stehenden Luft ab- und in
mich hinein zu bekommen.
Ich habe Not. Eine sich mir
aufdrängende Atemnot. Wo ich sonst so nebenbei und nebenher Luft
hole, atme, wird diese Not jetzt riesig und furchtbar und ganz
unmittelbar, legt sich mir in den Mund, in den Brustkorb, breitet
sich aus. Die Not zeichnet sich auf meinem Gesicht ab, zeichnet meine
Gesten und Handreichungen. Ich reiche niemandem mehr die Hand. Ich
bin zu sehr damit beschäftigt, aus dieser Menge an zur Verfügung
stehender Luft, nur ein klein wenig für mich ab- und in mich hinein
zu bekommen. Ich sitze still, um meinem Bedarf an Atemluft niedrig zu
halten. Ich sitze still, reiche niemandem mehr die Hand, atme nicht
mehr nur nebenher, sondern atme um mein Überleben.
Es ist, als
atmete ich durch ein schwer genässtes Leinentuch. Als sei mein
innerer Mundrachenhöhlenraum trockene Sandlandschaft. Kein Speichel,
keine Feuchtigkeit, sodass ich immerwährend Wasser zuführe. Das
Schlucken geht nicht mehr. Und jedem Sprechwort folgt ein Bellhusten.
Der Apparat ist kaputt! Also schlucke ich kaum mehr, nur Wasser,
immerfort Wasser aus Flaschen. Also spreche ich kaum, und wenn, dann
flüstere ich. Die Atemnot ist inzwischen auch Schluck- und Sprechnot
geworden. Als wäre alles dieser Not dürftig. Dabei habe ich das nie
gewollt! Komischer Körper. Zwingt mich, mit der Not, die er
anrichtet, Abstand zu nehmen. Körperabstand. Fühle mich hündisch
werden mit diesen Belllauten. Fühle mich fischig mit dieser an der
trockenen Luft entstehenden Not. Fühle mich überhaupt nicht mehr.
Vor allem nicht sicher. Unsicher in diesem Körper, der an dieser
Röhrenluftmaschine hängt, von ihr abhängt.
Ich denke nach, was geschehen wird
können, wenn die Not noch größeren Raum in mir einnehmen wird.
Was, wenn die Luft ganz außerhalb meiner Atemmaschinerie bleibt.
Außen vor. Sozusagen.Wenn da also nur noch Überlebensnot anstelle
meines Körpers sein wird. Ich könnte ein Messer nehmen, ein Cutter
und dort stechen, wo ich die Luftzufuhrröhre vermute. Und dann würde
ich spüren, wie endlich frische und massig von der zur Verfügung
stehenden Luft hinein strömt. Mein Körper könnte aufatmen, sich
ausdehnen und sich aalen in all der zugeführten Frischluft.
Schnittzufuhr. Sage ich mal dazu. Ich würde einfach einen Schnitt
setzen und endlich wieder atmen können. Nicht so nebenher, eher so
ganz direkt ohne Umwege durch Lippen- und Zahnspalte. Wie gut sich
eine ausreichende Luftzufuhr anfühlt, denke ich. Wie gut. Das weiß
man erst, wenn man die Not kennt, wenn das Nebenher und Nebenbei
plötzlich nicht mehr so nebenher und nebenbei ist. Ich warte und
halte still. Spreche nicht. Trinke Wasser. Führe Luft in
Kleinstmengen durch letzte Zugkraft meiner Atemapparatsmuskulatur zu.
Male mir diesen Freiluftröhrenschnitt aus.