Donnerstag, 29. Dezember 2011

Ein Jahr klingt aus. An den Bushaltestellen stehen die Alten und warten. Warten vielleicht auf einen Bus aus einer anderen Zeit. Sie stehen schon seit Tagen. Die Jungen sind ausgeflogen, während die Alten auf eine Möglichkeit zur Flucht hoffen. Und über ihr Warten sind sie vergreist. Ein bisschen sehen sie von hier Oben wie graue Tauben aus. Scharren mit den Füßen, spazieren um sich selbst im Kreis, vertreiben hin und wieder einander. Ich bin versucht ihnen meine Brotkrumen hinzuwerfen. Drüben auf der Kreuzung tut sich auch nichts. Die Aussicht aus dem Fenster war andererzeits spannender.

Stümperleben. Von Allem haben wir ein bisschen eingefangen. Nirgends etwas Ausnahmsloses. Hier und dort eine Laune vom Glück, eine Strähne Unglück. Nichts Auffälliges. Eine Hand voll Liebe. An den Fingern kannst du die Zuneigung abzählen. Auch die, die dich niemals erreicht hat, die irgendwie irrt und schwirrt. Niemals ankommt, weil sie vielleicht auch nicht ausgesandt wurde. Nicht jeder, den wir uns erwünschen, empfindet etwas für uns. An helllichten Tagen lief ich blind und stumpf umher. Als wäre das Lid nicht nur über die Augen sondern über den ganzen Körper gelegt. Schutzmäntelchen. Kerkerdecke. Höhlenwand.

Helllichtend waren ganze Tage in diesem Jahr. Nur dann kamen andere, und es waren Monate daraus geworden. Die Fenster, die zum Innenhof zeigen, sind dunkel. Keiner ist mehr in der Stadt. Die Bäume mit ihren nackten Ästen biegen sich gegen die Hauswände. Als wollte einer den anderen stützen. So sieht das aus. Während die Alten an der Bushaltestelle übereinander herfallen, sich begeifern aus Angst, keinen Sitzplatz zu bekommen, sollte der ersehnte Bus endlich heranrollen. Also drängeln sie. Umkreisen sich, stoßen sich beiseite, bis einer stürzt und ein Oberschenkelknochen gebrochen sein wird. Keiner in der Herde ist kampflos an die von ihm besetzte Stelle gekommen.