Sonntag, 30. Juni 2013

Einer ist da. Nennt dich Mädchen und weiß gar nicht, wie alt du bist. Bist längst kein Kind mehr, keine Frau, bist Greisin der eigenen Zeit. Lebenszeit. Und fragt dich, nach deinem Befinden, als wäre an dir noch irgendetwas zu finden. Such- und Fundorte. Hautwärts, von innen nach außen dringend, mögen noch Furchen sein. Aufenthaltsorte. Vielleicht Wortwölbungen. Oder Ausstülpungen wie Geschwüre. Wenn Worte deinen Leib wölben. Stell es dir vor. Und dann stell dir mich als wölbende und gewölbte Greisin vor. Wie ich sitze und unförmig werde. Es längst bin. Ballonartig. Nicht in die Luft aufsteigend, viel eher sinkend, zu Boden stürzend, wie ein Geröll. Hernieder. Um- und anstoßend. Lawinen auslösend.

Wie ist also mein Finden, und wo genau befinde ich mich, während einer da ist und fragt. Finde nicht aus mir heraus und befinde mich dennoch an ungesehenen Orten, in ganzen Landstrichen, die von irgendher in mir abgehen, ausweichen und abufern. Ich bin der Ausgangspunkt all dieser Linien, die zu mir führen, die aus mir herausführen.

Samstag, 29. Juni 2013

Die Flüsse sind uferlos geworden. Ich rette mich auf das letzte und, so wie es aussieht, das kleinste Stück Festland. Ein Hügelhaufen, eine nach oben gerichtete Mulde. Ich gucke und sehe alles nur uferlos sein.

Mit dem, was man über sich selbst zugibt, oder mit dem, was man über sich selbst in Erfahrung bringt, steht man dann manchmal so. Auf einer umgekehrt aufgeschichteten Mulde. Steht auf diesen Aus- und Umstülpungen wie auf einem Sprungbrett. Nur für den Sprung unvorbereitet. Nicht bereit.

Ich werde weich. Wie ein zu lang umspülter Damm. Einbrüche. Allerorts. Ich muss immer wieder testen, mich austesten, wie viel ich noch imstande bin abzuhalten. Auszuhalten. Und Auswege, Lösungen suchen, wenn ich nicht mehr halte. Nichts mehr ab- und aushalte.

Gedankenräume brechen. Fallen zusammen und übereinander her. Raumlos. Unverortet. Wie ein Kind ohne Geburtskanal. Ohne Richtung und Hinweis, ohne Zukunft und deren Möglichkeit. Auch zu entkommen. Nicht entkommbar. Auch deswegen dieses Rennen. Jeden Tag dagegen an- und davonrennen.

Dienstag, 25. Juni 2013

Wenn einer einen Narren gefressen hat, sagt man dann, Narrzissmus? Und wenn sich dann einer über das doppel R aufregt, sage ich dann Rarität? Revolution, Rassismus? Schau doch mal in den Wind, sage ich dann, statt der anderen Sätze, denn wer in den Wind schaut, dem vergeht hin und wieder das Atmen. Es bleibt im Halse stecken, weil der Wind den Atem direkt hineinbläst, man bläht sozusagen im Hals auf, und das Geblasene drückt an die Kehlmauer und lässt sich nicht schlucken. Ja. Schau in den Wind, werde ich sagen.

Am Kopf lasse ich mich nicht fassen. Die Haare sind geschoren. Als sei ich ein Knabe, dem es gilt, das Grün hinter den Ohren zu mähen. Ein Schaf auf der Wiese, das sich nach dem Scheren nicht mehr als Schaf auf der Wiese fassen lässt. Nur noch ein gerupftes Tier, das grast. Kein Wollspender, kein Weichdenker, kein Kuscheleffekt. Mein Kopf ist also fassungslos. Faschismus?

Wörterbücher sind da, um auswendig gelernt zu werden. Lerne ein Wort und du versteht ein anderes. Ich sage immer, auswendig ist der sicherste Weg. Schau auf die Karte, präge dir den Weg und die Straßennamen ein, und du wirst dich nicht verlaufen. So ist es auch mit den Worten. Wer sich verspricht, hat nicht auswendig gelernt. Das Wörterbuch zum Beispiel.

Mit den Gefühlen ist das ähnlich. Es gibt eine ganze Palette. Und man kann sie mischen. Man muss ausprobieren, um zu wissen, welches wann und wo und wie genau passend sein kann, passend sein wird, ist. Man muss probieren und vor allem, auswendig lernen! Dann ist die Anwendung einfacher. Reibungslos, sozusagen. Und auch das Erkennen im Gegenüber. Das ist die höchste Kunst. Kein Geist ist je vom Himmel gefallen. Eher aus einem Körper hervorgetreten. Wenn überhaupt. Auch das Genie lernt und denkt und vergleicht. Und lernt auswendig. Womöglich etwas leichter, schneller, problemloser, nicht wie ein aktives Handeln, das Lernen.

Ja. Ja. Also, der Narrenfresser. Fallstricke sind immer die sichersten Seile, um jemanden gefangen zu nehmen.