Montag, 22. Oktober 2007

Ich stehe hier jeden beschissenen Tag und biete die Abos an, die keiner haben möchte. Möchte doch keiner mehr wissen, was in der Welt geschieht. Ist doch online alles schneller, aktueller. Wer liest noch Zeitung? Die hinkt hinterher. Nicht mal kostenlos wollen die Leute sie haben. Für keinen Preis der Welt interessiert sie, was in ihr passiert. Weggucken. Das lernt man schon in der Schule, vom eigenen Heft auf das des Nächsten schielen. Darüber hinaus wäre zu viel des Guten.
Und wenn man hier steht, Tag für Tag, lernt man die Seltsamkeiten der Straße kennen. Die immer gleichen Gesichter, die immer gleichen Rhythmen, in denen die Geschäftigen morgens zur U-Bahn schwanken. Und wenn die dann das Feld geräumt haben, kommen die Tanten und Omchens. Die schlendern und schnacken. Kommt man sich vor wie auf der Federviehtauschbörse. Ist auch der Trubel vorüber, treten aus den Hauseingängen die Penner und Säufer. Dann stellen sie ihr Becherchen auf den Gehweg, breiten ihre Decke oder manche haben sogar einen Schlafsack, aus und nehmen Platz. Dort harren sie dann aus, den Tag, die Nacht, die Woche, ein, zwei Monate. Bis das Ordnungsamt sie vertreibt, weil vielleicht ein Stadtfest, eine Kirmes, Weihnachtsmarkt oder sonst etwas ansteht. Da wird die Stadt gefegt. Nichts darf auf den Straßen liegen. Niemand.
Auch ich muss dann für die Zeit meinen Stand wegräumen. Bringt ja kein Geld ein, nicht der Stadt. Und Touristen wollen noch weniger über das Weltgeschehen informiert sein. Die interessiert dann nur der Dom, die überteuerten Maronen, die kreischenden Karussells. Deren Blicke gelten nur diesem bunten Treiben oder aber einer FalkFaltungStadtkarte. Also packe ich mit den Pennern und Säufern meine Zeitungen und suche mir einen anderen Ort, einen Platz, an dem es sich vielleicht lohnt umzuschlagen.

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