Samstag, 30. August 2008

Meinem Onkel, dem Helden mit dem Puzzleschädel ist abermals das Gesicht aufgeklappt. Stahlträger sind nicht seine Stärke. Frontaler Zusammenstoß und schon klaffte die Narbe über dem Nasenbein hinaus über die Brauen im Offenen. Als hätte ihn jemand zur Ausgrabungsstätte erwählt, lagen alle Knochen frei. Fein säuberlich beinah, wäre die Sauerei mit dem Blut nicht.

Ich liege längst nicht mehr auf den Dächern, lauere nur dem Gestank auf, der durch die Ritzen und Brüche im Mauerwerk auf die Straße hinaus tritt. Große fette Füße in ledernen Stiefeln. So stelle ich mir den Gestank nach verwestem Fleisch vor. Fettleibig und schwerfüßig. Die Kleineren unter den Wölfen werden reißfest.

Man trifft sich im Invalidenhof. Mein Vater mit dem zerschossenen Bauch, mein Onkel mit der Ausgrabungsstätte im Gesicht, die anhängende Familie mit diesen fremdeigenen Blicken. Ich bin nicht zielsicher, deswegen bin ich am Hof vorüber und geradeaus weiter gelaufen, habe die einen und die anderen links liegen, hinter mich geraten lassen. Alles Vergangene, gerät hinter einen, oder man selbst gelangt darüber hinweg, hinaus. Man rückt sich selbst in Ferne. Mit allem und jedem geschieht etwas, so auch mit mir. Ich gerate hinein in das Familiensystem und hinaus. Finde keinen Halt, um zu bleiben, keinen Ort, keine Stelle. Alles greift ineinander, nur ich greife daneben und pendle haltlos weiter.

Man meint, in der Ferne hat man allen Grund das Nahe zu umgehen, man meint, allem Nahen entkommen zu sein. Doch das ist nur Trug, denn in Wahrheit ist kein Entkommen möglich, außer man geriete aus sich selbst, aus der eigenen Haut, aus dem eigenen Sein, dem inneren Hier und Jetzt. Man müsste in der Lage sein, sich seiner selbst fern zu kommen. Das mag an die Erzählungen und Berichte erinnern, die behaupten, Menschen seien in bestimmten Situationen aus sich selbst gekehrt, betrachteten das Geschehen um ihren Körper wie aus der Höhe, von Oben herab, als wäre der Körper allein weniger wert. Doch auch das ist Blendwerk, denn schneidet man mit einem Messer unter die Haut, sind sie alle noch dort. Ganz nah am eigenen Herzen. Schließlich ist es zumeist das, dem die Menschen zu entkommen suchen. Den Herzkammern mit ihren Schrecken und Finsternissen.

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