Samstag, 16. August 2008

Über den Dächern hängt der Morgen. Ich bewege mich in kaum merklichen Schritten durch das schlafende Haus. Ich bin dem auf den Fersen, der eine Freude daran hat, unsere Namen zu zerstören. Tag für Tag das gleiche Spiel. Ich gestalte die Klingel, den Briefkasten mit Identität und Zugehörigkeit, ein anderer, der, dem ich durch die Morgenstille hinterher bin, zerkratzt, zerreißt und zerstört diese. Mutwillig. Ein solcher Mensch ist mir bisher nicht unterkommen. Den Ärger darüber habe ich vor einiger Zeit verloren. Mit der Kraft ist er abhanden gekommen, ich bin geduldig und zeichne Tag für Tag schönere, beständigere Identitäten. Regen- und Reißfeste.

Ich werfe mir verbale Masturbation vor. In aller Ernsthaftigkeit, in aller nicht vorhandenen Strenge beginnt jeder Tag mit dieser Befangenheit. Weshalb sollte ich Gegenspieler in meinem Sprachraum dulden, müsste ich nicht jede Minute fürchten, dass ich mit meinen eigenen Worten geschlagen werde? Wobei mir diese Frage das Bild eines Schachbretts vor Augen führt. Die Sprache im koordinierten System gäbe eine interessante Installation. Die Tölpelworte als agierende Bauern an erster Front. Die sparsameren Silben, die bedeutungsschweren verschanzt im hinteren, im letzteren sicheren Eck. Usw.

Die Sonne beginnt wie der Mond ebenso rechts von mir ihren Weltenbummel. Ich beneide sie um ihre Ausgeglichenheit. Ich teste beinah jeden Morgen einen anderen Weg zur Arbeit. Ich schlendere.

Zurück zur Sprache. Wenn es im Sprachkörper Abwehrzellen gäbe (Antikörper, weiße Blutzellen), würden ganze Landstriche von Epidemien wie Umgangs- oder Jugendsprache verschont bleiben, Unworte im Keim erstickt und Sprachfehler ausradiert.

Ob es gut wäre? Was weiß ich. Das ist keine Frage von Gut und Böse, es ist viel mehr eine Frage der Vielfalt, der Möglichkeiten. Der Erschöpfung.

Verbaler Masturbationsvoyeurismus. Voyeurismus ist nicht richtig. Freizügigkeit, Erregung öffentlichen Interesses. Ich schreibe mit dem Wissen, hier liest jemand. Der Gedanke, ob aus Interesse an der Person oder an den Worten gelesen wird, steht aus. Was denkt der Schreibende über den Lesenden, was andersherum?

Leben Schreibender und Leser in einer Art Symbiose? Das wäre gut. Parasitismus? Das wäre auch gut, für den einen, weniger für den anderen.

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