Donnerstag, 8. Mai 2008

Vor unseren Fenstern welkt ein Baum. Jemand hat ihn gewaltsam an die Laterne gekettet. Dort steht er einem armen, geknickten Trunkenbold gleich, der nicht mehr weiß, in welcher Richtung sein Weg liegt. Es ist Mai und die Menschen strömen wie fließend Wasser durch die Straßen. Schillernd und Hindernisse mit sich reißend.

Unsere Fensterbänke sind gelb vom Blütenstaub. Kinder machen sich einen Spaß, wenn sie mit den Fingerspitzen: Putz Mich! hineinschreiben. Demonstrativ schaue ich darüber hinweg, soweit die verklärten Scheiben es zulassen. Selbst die Hausverwaltung meinte, mich schriftlich auf den Missstand der Fensterfronten hinweisen zu müssen. Auch darüber schaue hinweg. Mit nebulös formulierten Umständen habe ich mich noch nie eingehender befasst.

Es ist Mai. Die Sonne brennt Pigmentierungen. Ich stelle mir die äußersten Enden der Sonnenstrahlen vor, wie sie mir nadelfein die Farbe unter die Haut zwängen. Ich beobachte die Flecken, besonders jene, die größer, tiefer, dunkler werden.

Hautbild-ung.

Alles Herzinnere ist Untertage. Und alles Handhaben darin ist Untertagebau. Wohin gräbt also einer, der schachtet und schachtet und nicht mehr zurück ans Tageslicht gelangt?

>> …; denn es ist eine Freude zu spüren, wie Kälte im Herzen aufsteigt, und sich sagen zu können, während man es prüfend mit der Hand berührt wie einen noch rauchenden Herd: Es brennt nicht mehr.<<

Gustave Flaubert -November-

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