Mittwoch, 13. Februar 2008

Ich habe heute noch einmal die Karte aus Kuba vorgekramt. Ich hatte sie an die Wand geheftet hinter all die anderen Zettel. Es ist eine Merkwand, an ihr sammle ich meine Hinterlassenschaften. Aber heute holte ich die Karte noch einmal hervor. Und nun liegt sie so vor mir mit der Schrift gegen mich gerichtet.

14. Januar. Und erstaunt stelle ich fest. 2007! Vielleicht ein Irrtum. So kurz nach dem Jahreswechsel passiert das. Nach so langer Zeit. Ich schaue noch einmal. Nein. 2007. Und kein Stempel auf der Marke. Werden in Kuba die Briefmarken nicht gestempelt? Ich kann der Dauer der Karte nicht nachgehen. Hat es nun wirklich ein Jahr gedauert oder weniger als einen Monat. Aber kein Stempel. Kann es sein, dass die Karte nicht geschickt sondern eingeworfen wurde, und muss ich nun am Absender zweifeln?

> Nichtsdestotrotz hoffe ich, Du wirst diese paar Worte erhalten und lesen. Denn nichts ist und bleibt stets aus meiner Sicht, ferner, untragbarer und raubender, als nicht ein Wort an dich zu richten. […] <

Wie macht er das, frage ich mich. Wie kann er mir so schreiben nach all den Jahren. Nach dieser unvergänglichen Zeit, in der ich zu der geworden bin, die hier ist. Und in dieser Zeit, in der er irgendwo fern diese wenigen Worte benutzt, diese Gedanken zu sprechen.

Es ist gespenstisch. Denn mir bleibt nur ein Name, ein Gesicht, eine Geste. Die Erinnerung daran, wie wir zu zweit mit einem Rad durch die Wiener Nacht rasten. Ich auf dem Gepäckträger, er auf Sattel und Pedale. Wie ich mich festhielt und gleichzeitig so sein Jackett zuhielt. Es war Winter und Frost. Die Nacht zog sich schon in den Tag hinein. Wir hatten getrunken, getanzt, gelacht. Und dann diese Radtour.

Worte. Nur Worte schickt er mir. Aber keinen Ort, keine Richtung, an die ich mich wenden könnte. Wohin mit meinen Worten, denke ich, mit diesen Gedanken und Ideen. Die kreisen. Seither.

Einmal. Köln. Silvester. Wir feierten und tranken Sekt aus der Flasche. Wir stiegen Mitternacht auf die Straße und bestaunten die Schießwütigen. Ungeschminkt betraten wir einen Club. Der Türsteher, ich war zuvor niemals in einem Club mit Türstehern gewesen, ließ mich trotz Sektfalsche in der Hand durch. Wir tanzten, obwohl wir nicht dazugehörten. Die Nacht. Er auf dem Sofa ausgestreckt, ich im Bett. Er schlief schon, als ich noch lange telefonierte, bis auch ich einschlief. Der nächste Morgen, die Übelkeit, die Suche nach einem Internetcafé, einem Anschluss zur Außenwelt.

Ich weiß nicht, wohin ich mich richten soll. Wie die Nadel im Kompass drehe ich unaufhörlich, aber komme nicht zum Stillstand. Die Himmelrichtungen lassen sich nicht ausmachen. Also stecke ich die Karte unbeantwortet an meine Wand.

Vielleicht, wenn ich älter bin, suche ich sie abermals hervor und beginne mich von Vorn zu drehen.

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