Mittwoch, 14. November 2007




















Wer andern einen Kopf abschlägt

Reiß mir doch den Kopf ab, Salome! Was habe ich noch anderes zu verlieren. Kannst den Wünschen nicht entkommen, nicht dem heimlichen Ohrgeflüster, das dir eintönt, mich zu enthaupten. Und dann laufe, unterm Arm meinen Kopf. Kannst doch nicht ausschlagen, was ich dir auf dem Tablett darbiete.

Und jetzt, wie ich dort, wo mein Hals, mein Schultergürtel, wo ganz ich nur war, wie ich dort an jener Stelle nun kühl das Metall fühle. Und die leichte Wärme, die wie Hände meinen abgeschlagenen Kopf trägt. Als pulsierte dort, wo nichts mehr ist von mir, doch weiterhin mein Leben.

Mit meinen Armen kann ich nicht mehr greifen. Nur ein Phantom die Glieder, die nicht mehr gehorchen wollen. Denn gern würde ich deinen Kopf, Salome, würde ihn fassen und mir zuwenden, deinen Blick, den du so geschickt abkehrst, als fürchtest du meinen Anblick. Den Anblick meiner körperlosen Gestalt.


Und weißt du, was mir durch den Kopf geht, den du in Händen hältst. Wie schön es wäre, könnte ich deine Finger noch in mein Haar greifen spüren, dieses Gefühl, dass nur eine Frau in einem Mann auslöst. Aber du kennst nichts von dieser Sehnsucht. Immer hast du alles bekommen, wonach du dich gesehnt. Den Unterschied zwischen Verlangen und Befriedigung hast du nicht gekannt. Selbst jetzt noch, als dein Verlangen über Menschenleben ging, hat es sich eingestellt. Und wie leicht dieses Lächeln auf deinen Lippen sitzt, wie es dort sitzt und nicht recht zu wissen scheint, ob es ausbrechen darf. Oder ob es besser daran tut, klein, in sich, innerhalb der eignen roten Mauern zu bleiben.


Gib es zu, du hast es gewollt, hast meinen leblosen Kopf zu dir befohlen, weil du mich sonst nicht hättest haben können. Dafür bin ich entleibt worden. Für deine Wunscherfüllung. Und ich sage dir, Salome, hier in dieser unwürdigen Art als Mann vor einer Frau zu liegen, sage dir, es werden Legenden entstehen, es werden sich Geschichten erzählt werden, es wird geschrieben und gepriesen werden, was ein jeder sich beim Anblick dieser Tat erdenken mag. Nur eines nicht, ob du meinen Kopf wie eine Trophäe trägst. Inhaltsleer bleibt in Geschichten und Gemälden mein Haupt, in dem noch so viele Gedanken zucken, und hätte man nicht meinen Kopf sondern den ganzen Rest ins Bild gerückt, man würde die Muskel zucken und mich kopflos laufen sehen.


Bilder:

Bernardino Luini

Salome empfängt das Haupt Johannes des Täufers.

Salome mit dem Haupt Johannes d.Täufers



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