Sonntag, 18. November 2007

Das Leben lang wird uns erklärt, man solle nicht so viel Zeit mit dem Tod verbringen, der komme schon, komme von ganz allein. Und die Gedanken an und über ihn würden das Leben weder lebenswerter noch unwerter machen. Wenn denn das Leben unseres körperlichen Daseins überdrüssig würde, würde es den Tod von selbst herbeizitieren. Ohne unser Bedenken und Zutun. Wäre es so, wie also würde das Leben dem Freitod gegenüberstehen? Würde es sich von der körperlichen Daseinsform, die wir ja sind, hintergangen und vom Geiste, der wir ebenso sind, überrumpelt fühlen?

Weshalb personifizieren wir den Tod im Sensenmann und das Leben, für das Leben nehmen wir uns das Vorrecht, es ganz in Anspruch zu nehmen. Wir selbst bedeuten für uns das Leben. Wir selbst definieren den Tod, das Eintreten der Leblosigkeit am eigenen Körper als einen Fremdakt. Einen Gewaltakt am Leben, der von Außen eintritt. Womöglich noch durch Sensenschlag oder einen Sichelhieb.

Nun denn. Gerade lief einer vor die Straßenbahn. Lief und kam selbst zum Stillstand wie auch die Bahn. Einer stirbt am Tod, der andere ist seines freien Lebens beraubt. Der Gedanke, einen Menschen des Lebens beraubt zu haben, weil man gerade selbst am Steuer der Straßenbahn saß, nimmt diesem Menschen die Lebenslust. Wessen Umstand sollen wir betrauern? Den des zu Tode Gekommenen oder den des Lebens Beschädigten?

Wir schenken dem zu Leben Kommenden ebenso viel Aufmerksamkeit, sei es gute oder weniger gute, wie dem zu Tode Kommenden. Geburts- und Sterbeurkunde. Das Zusammenkommen am Kinderbette, wie das Zueinandertreten am Grabe. Menschen gedenken im Anfang und im Ende dem Menschen gleich. Doch während der Zeit des bloßen Daseins, werden die Differenzen zwischen Leben und Tod deutlich. Der eine grübelt über das Leben, das er nicht hat, der andere denkt an den Tod, der ihn so nicht ereilen wird. Kaum einer tritt zusammen, ein jeder trägt für sich die Gedanken um Leben und Sterben. Letztendlich kommen wir doch nicht umhin uns des Todes ebenso anzunehmen wie des Lebens. Nämlich als einen Akt der eigenen körperlichen und geistigen Daseinsform.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Umgang mit Kontaktdaten

Nehmen Sie mit mir als Bloggerin durch das angebotene Kommentarformular Verbindung auf, werden Ihre Angaben gespeichert, damit auf diese zur Bearbeitung und Beantwortung zurückgegriffen werden kann.

Kommentare können auf Anfrage von mir gelöscht werden.