Freitag, 5. August 2011

Zustandslos. Nur das pure Leben am Leib tragend sind wir an einem Ort meiner Kindheit angekommen. Alles andere Leben stapelt sich in Kisten verpackt in der Garage. Stapelt und gibt nichts von sich preis. Wir sind ungebunden. Weder Ort noch Leben, mit ihren Gegeben- und Gewohnheiten, halten uns. Morgen schon oder auch heute noch können wir die Schuhe schnüren und davon ziehen, können die Rucksäcke schultern, den Kopf in den Nacken werfen und von Ferne nicht nur träumen.
Ungebunden bedeutet ohne Sicherheiten. Wir haben zwar ein Fall- und Sturznetz gespannt. Doch wir haben die Seile tief gehängt. Der absolute Aufprall wird gedämpft doch nicht gänzlich schmerzfrei bleiben. Und auch das ist etwas, was viele, die uns beneiden, kaum sehen. Sehen nur uns und unsere Münder, die immerfort von Abenteuer zu berichten wissen, sehen unsere Füße, unsere Freiheit. Sie übersehen die Angst, den Zweifel, das Zögern und das zwischenzeitliche darüber Zornen.

Wer wohl frei von Zweifel ist?

Hier, im Haus meiner Eltern, schlägt das Leben anders. Schlägt mit Kinderherzen und ganze Schneisen in den eigenen Alltag. Nirgends scheint mehr etwas zu sein von dem, was man sich außerhalb der „Eltern-, Kindzone“ aufgebaut hat. Keine Rechnungen auf den eigenen Namen, keine Stör- und Hindernisse, die der ungebetene Nachbar vor die Türschwelle ablegt. Es ist ein anderer Raum, wie es auch eine andere Zeit ist. Es ist, als würde der Raum der Erinnerungen an die eigene Kindheit plötzlich aus den Erinnerungen heraus und in die Realität hinein, dir gegenüber treten. Mit der Kindheit schließt man niemals ab, zumindest nicht solange, wie es noch ein Elternhaus, das immer auch Kinderhaus gewesen ist, existiert. Hier bin ich Kind, hier darf ich sein.

Wie die Erinnerungen es nicht sind, ist die Natur hier beinah völlig unberührt. Wir hören die Winde in den Blättern der Bäume spielen, sehen den Fluss über die Ufer schwellen, sich ins Schilf legen, riechen die überreifen Kornähren und auch das Gras fühlt sich lebendiger an, als die angelegten Grünflächen der Städte. Alles gedeiht in alle möglichen Richtungen. Jede noch so kleine Nische, jedes Erdloch und jeder Einschnitt in den dicken hundertjährigen Baumrinden bietet Platz, bietet eine Lücke zur Freiheit, zur Entfaltung. Und vielleicht deswegen ist kaum Platz für Sprache. Alle Natur drängt ringsum in die kleinen Städte, die Dörfer sind kaum mehr als eine Handvoll Häuser. Und die Sprache der Menschen hier, kommt einem Ackerpflug gleich, und das Sprechen selbst ist nicht anders, als pflügte einer jeden Landstrich einer möglichen Sprache. Ganze Landstriche bleiben unberührt und andere dafür gerodet, umwühlt, nur zum Zweck aus der eigenen Schönheit gerissen, bearbeitet und umliegenden Feldern in Fahrt- und Wuchsrichtung gleich gemacht.

Auf dem Land wird Futtermais für Nutztier angebaut, während in den botanischen Gärten der Städte grazile Blütenprachten für den Betrachter des Schönen und Fremden gepflanzt, gehegt und gepflegt werden. Viele von diesen Pflanzen, ob es Bäume oder Blumen sind, sind importiert, aus anderen Ländern eingeflogen, Länder, die kaum Fläche für Nutztiere und deren Futtermais haben. Kaum Klima. Auch Klima bedingt Sprache. Sind milde Sommer oder eisige Winter oder immerwährend das Gleiche, wie groß und wie abrupt die Unterschiede?

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