Montag, 30. November 2009

Fragst, gehst hinein in den Wald und vielleicht kommst du, kommst heraus auf ganz unverstellten Wegen, dort nämlich wo Lichtung ist. Was aber ahne ich, wenn ich das ahne, was nicht ist. Und die Einengung, weil ich nur von dem ahne, was nicht ist, bricht auf in der Weise, dass ich das, was ist, nicht erahnen brauche, weil es ist. Es stellt sich aber so mir die Frage, ob das, was nicht ist, allein durch mein Ahnen wird, also existent wird? Und bin ich dann im ausufernden Sinn Schöpfer dessen, was ich ahnte?
Du siehst, der Wald ist ein Duschgel, ist Himmel, ist Meer. Das Einzelne ist kaum im Ganzen zu erkennen. Und ich kaleidoskopiere, schaue mir in der Brechung des Ganzen nur die Splitterteile an. Erfreue mich an Licht und NichtLicht, denn auch daraus schließt nichts anderes als Sein oder NichtSein. In einem Blatt schrieb ich, dass am Anfang das Wort war und erst im Nachhinein kam ich auf die Frage, war das Wort nur – unabhängig von Silbe, Buchstabe, Laut – war das Wort also nur, oder wurde es auch gesprochen? Und hier ließe sich der Gedanke wieder ansetzen, ab wann ein Wort ist. Ist es schon oder wird es erst im Sprechen? Wenn das Geahnte durch das Ahnen allein existent wird, dann ist es, ist mit dem Werden letztendlich geboren und demnach nicht mehr zu ahnen notwendig. Das ist nicht länger ein adressiertes Selbstgespräch, das ist ein Entwirren verworrener Schnüre, das manches Mal nur mit einer Schere noch zu bewältigen ist.


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An dich habe ich so oft schon gedacht und mich gefragt, ob alles Gedachte imaginär ist. Und mit der ganzen Einbildung bin ich in romantischer Geselligkeit. Die Unübersetzbarkeit von Einbildung und Tatsache in das jeweils andere scheint unbegründet. Bild wird Schrift, wird Ton, wird greifbar. Vielleicht steht auch die Realität zur Nicht-Realität in einem Verhältnis von 1: 2 oder 2:1. Alles Atmen ist doch Wiederkehr in der Welt. Ist Frequenz und Doppelton. Ein. Aus. Ein. Aus. 1:2 ist eine der leichtesten Tanzschrittfolgen. Lang : Kurz Kurz. Lang : Kurz Kurz. Zur passenden Musik und richtigen Körperhaltung ließe sich ein geschlossenes System erkennen. Abiträr und deswegen Freiwild ist alles, was ich schreibe.
Und wenn ich an dich denke, denke ich an Fensterglas, an Abgenutztes und Unabänderbares. Ich fühle mich in diesem durch Worte beschriebenen Raum, fühle mich zwischen die dargestellten Menschen, fühle mich hinein gestellt ohne Bezug zu all dem. Fühle mich wie gespannte Angelschnüre, an der sich niemand mehr schneidet. Aber du sagst, ich könne schwimmen, und erst durch dein Sagen, schwimme ich tatsächlich. Dass ich vom Erkennen anderer so abhängig bin, wollte ich mir nicht eingestehen, aber ins Meer streue ich nichts als Salz. Alles Seiende hat Substanz und Wirkung.
Die Sonne tut in dem Moment das Ihrige. Als wollte sie die gefrorenen Ziegel schonen, schleicht sie hinterrücks heran, ist schon längst da, bevor man ihres Schleichgangs überhaupt aufmerksam wurde. Ideen sind schonungsloser, sie greifen an, greifen mitten hinein und geben keine Ruhe mehr. Warum schläft die Stadt, ist sie so ideenlos?
Weil du mich siehst, sehen mich andere. Und durch das ganze Gesehenwerden, nehme ich mich auch außerhalb meines Selbst wahr. Ein Aquarienfisch, der sich, trotz Salzwassers, seiner Begrenztheit bewusst wird. Vielleicht wird es auffällig, wie oft ich in Unterwasserwelten tauche. Aber das ist nicht der einzige Ort. Im Gehölz ist es Niemandem aufgefallen. Nicht im Gehölz, nicht auf den asphaltierten Straßen und auf Grasflächen, in die Steppe hinaus habe ich es noch nicht gewagt. Womöglich der Übersichtlichkeit wegen, vermutlich aus purem Instinkt, aus Angst vor den weiten Flächen, die unmöglich Fluchträume bieten können. Und immer nur von allen gesehen auf der Flucht, immer wieder nur die Füße in die Hände nehmen und rennen. Unendliches Rennen. Da schlägt allerorts in jeden Winkel Wind ins Gefieder.
Abgedroschenes Leben schreibe ich durch meine Finger, wie andere es zwischen den Beinen tragen. Tragen es dort, als würde das allein zur Wiederbelebung genügen. Aber dass es das Gebrauchtwerden, das sture Be- und Abnutzen ist, was Leben einhaucht, begreifen sie nicht. Also tragen sie, fahren unbesetzte Kinderwagen durch die schlafende Stadt, tragen Abgestorbenes zur Schau ohne Zuschauer. Und ich warte, warte auf eine nicht folgende Reaktion auf diese Aussage. Warte mir schattiges Grün und purpurnes Blau unter die Haut. Aber das du mich siehst ….


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Du sagst, du seiest zustandslos, irgendwie untertage, und ich denke an die Untertagebauten, die man oberflächlich nicht zu Gesicht bekommt, obwohl sie ganze Landstriche ausmachen. Da, wo Kahlschlag regiert, lohnt der Blick unter die Haut. [Irgendeiner sagte, die Erdfläche sei nur Haut und die Menschen darauf Ungeziefer.] Aber wie viel Geziefer ich wirklich bin, solle man mir doch selbst überlassen.
Du sagst, es freue dich so, dass ich schreibe. Aber von den vielen Unmöglichkeiten keine Spur, keine Ahnung, kein Annehmen oder Hoffen. Ich schreibe kaum noch, ich hole Luft zum Atmen, schleppe jeden Tag daran, fühle mich sisyphosisch und habe in der Gegenwart den Blick in die Zukunft. Du sagst, du hast aus Nobel gepriesenen Mokkatassen getrunken. Ich beneide dich darum!

Das habe ich dir schon vor Tagen geschrieben. Bis Heute liegt es ungelesen , liegt wie eine Leerstelle. Bis B. sind es vier Stunden, aber in Gedanken bin ich bei dir. Und bei deiner Zustandslosigkeit ist es ein Leichtes für mich, mir deine Aggregatzustände auszumalen. Ich denke dich erden, federn, ich denke dich luften allerorts, flüssig von Gefäßwänden gerahmt, ich denke wie es mir gefällt. Untertagegrachten.
Manchmal überhole ich mich im Leben und muss mich mahnen, mich wieder einzuholen. Wie man einen am Haken hängenden Fisch einholt. Mit Kraft und Gewalt, mit der Lust und Absicht ihn zu töten. Die Beute ist immer auch die Krone. Ich überrenne mich um Weiten, schlage mit dem Herz bis zum Hals, manchmal auch die Beine hinab und hinaus. Schlage hinaus und zwischen die Beine. Ein windender, zappelnder, wirbelloser Zitterfisch. Ich entwische.

Hast du die Blätter an die Anderen, die du nicht kennst, gelesen, hast du gelesen und gesehen, wie das Schreiben sich mit dem Gelesenwerden ändert? Wie das Lesen dem Schreiben auf die Haut rückt, wie es kritzelt und kratzelt, wie es sich unabwendbar macht? Und hast du mich gesehen? In letzter Zeit, in gerade vergangener Nähe? Ich verliere von mir. Vom Ursprünglichen kommt mir das Wesentliche abhanden.
Du erinnerst dich, der, der am Lineal seine Zukunft mit mir abmaß, du erinnerst dich, an den, der mich liebensunwürdig nannte. Er hatte womöglich Recht, er erkannte meinen Verlust, er hatte ihn lange schon vor mir verstanden. Du erinnerst dich an den aus Afghanistan. Er nahm ein Stück, obwohl ich es nie so meinte, von mir und asphaltierte es in die Wüste. In diesen Staub aus Sand asphaltierte er einen Teil von mir hinein. Und der mit dem Gedichtband auch. Alle die, die nicht wiederkehrten.

Narrative Unmöglichkeiten, Intertextualitäten. Wer erkennt sie denn über die Grenzen hinaus? Wer legt denn sein Ohr an die Luft und lauscht? Wer nimmt die Worte noch in die Hand, sie abzuwägen? Wer rückt denn sein Bett von der Wand, weil an derselben Wand nur anderseits ein fremdes Bett steht?

Du sagst, du seiest zustandslos und aus der Haustür führe keine Richtung.

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