Mittwoch, 4. März 2009

Ich sitze auf einer Stadt, die sich senkt, einsenkt, aussenkt, hinabsenkt. Ich bin untertunnelt und sehe die Staubwolke aus den Nachbarhäusern kriechen, wie sie sich aus Stein und Gebälk drängt, wie sie drängt und herannaht, als wolle sie allein noch mehr einreißen. Ich greife mit meinen viel zu kurzen Armen und Beinen an die viel zu weit auseinander liegenden Wände, greife um mich und versuche zu halten, was ich halten kann, während vor den Häusern, die einsinken und wegsinken, Menschen in alle Richtungen laufen, als läge in allen Richtungen ihr Überlebenswille. Und als wäre das allein eine Garantie, rennen sie und rennen staubig, wie die Wolke, die sie vorantreibt, rennen und vergessen ganz, dass die Stadt sich in allen Richtungen senkt.

Die Stadt hat ihr Gedächtnis verloren, sagt die Stadt am Morgen nach dem Absturz über sich selbst. Sagt kaum etwas über die Vor- und Nach-, die Rück- und Nebenwirkungen. Sagt nichts über einen wie mich, der ich hier sitze und mit allem, womit ich halten kann, hält. Die Stadt sagt, die Untertunnelung ist allerorts, und dass man die Hohlräume nicht füllen könne, weil dann könne man sofort ihr Herzkreislaufsystem lahm legen. Die Stadt macht von sich reden. Vielleicht auch, weil sie das Gedächtnis verloren hat und nur vom Jetzt und Morgen leben kann, weil sie seit Gestern ein neues Denken und Andenken trägt. In sich selbst, in ihren Tiefen, die tiefer werden und alles Oben Lebende hinabreißen. Die Stadt macht Reden von sich, weil Reden ein Versuch ist, sich ins Gedächtnis zu rufen, und wenn die Stadt schon kein eigenes mehr hat, dann muss sie sich in das Gedächtnis der anderen bringen.

Und während ich auf diese weit auseinander liegenden Wände beschränkt bleibe, treiben vor den Häusern Menschen, wie eine Wolke umher, zerstauben in alle Richtungen, weil man auf der Straße ein Zittern bemerkt, eines, das ganz von Unten, aus den anorganischen Hohlräumen der Stadt nach oben drängt. Eines, dass sich Zentimeter breit durch Stein und Gebälk reißt. Und ich sehe wie aus dem Zittern eine Wunde wird, wie die Straßen und Häuser aufreißen.

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Es ist die Stadt, die schuldlos und still vor mir liegt.

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