Sonntag, 21. September 2008

Ich bin zurück, bin der Sprachlosigkeit, in die ich geraten war entkommen, habe mich aus ihr in meine Sprache zurück gewunden. In die Gefilde einer fremden Sprache zu gelangen, ist dem Ankommen in einer unbekannten Großstadt gleich. Es gibt kein Oben kein Unten, kein Rechts oder Links, man ist einem Wirrwarr aus Wegen ausgeliefert, einer Vielzahl an Fortbewegungsmöglichkeiten, und in keine getraut man sich hinein, weil man sich nicht auskennt. In welche Richtung soll man fliehen ist das Ziel eher eine Vorstellung als eine Idee?
Anfangs ist man von der Andersartigkeit befriedigt, lässt sie auf sich wirken, als streiche eine warme Hand über fröstelnde Haut und Haar. Sie ist Verzierung, diese von einem selbst unverstandene Sprache, weil sie melodisch, rhythmisch ganz eigen klingt. Das fällt auf, weil das Vertraute der eigenen Sprache das Sichtspektrum trügt. Vertrautheit ist, unerkannt, eine der schmerzfreiesten Arten des Erblindens.
Der empfundene Sprachverlust erscheint mir jetzt, da ich zurückgefunden habe, ebenso ein Zeitverlust. Unbekümmert, was Tag, Stunde oder überhaupt was Orientierung in der Zeit angeht, verging ebendiese. Unüberschaubar. Ich landete morgens, obwohl es Abend war, ich trank zu Kaffee, während die Übrigen speisten, ich ging zu Bett, brach sich der Tag aus schattigen Nachthüllen. So verging um mich herum nur das eigene Leben wirklich wahrnehmbar. Auf der Haut spürte ich die Vergänglichkeit, wie sie von mir Gebrauch machte, mich in Besitz nahm. Zeit- und atemlos blieb ich, ohne nur ein Wort nach Außen, ins Unverstehliche hinein zu richten, blieb schweigsam sterbend.

Wie einen hungrigen Hund sah ich einen Mann Mülltüten zerfetzen, Tonnen umstoßen, im weggeworfenen Rest anderer suchen. Er war auf Beutefang, seine Hände zu Krallen ausgerichtet, sein Blick animalisch und doch analysierend, genau beobachtend, was die Fangarme griffen, aus dem stinkenden Dunkel ans Tageslicht zogen. Diese zu Klauen gewordenen, fetzenden Hände. Schließe ich die Augen, sehe ich sie Menschenbilder zerreißen. Bei lebendigen Menschenleib zur Kreatur werdend.
Ich saß innenwendig und fürchtete den Schritt auf die Straßen, die belebt waren und von Innen wie überlaufene Ameisenwege schienen. Klein und viel beschäftigt kroch einer über den anderen, sich nicht aneinander, an der unausstehlichen Körpernähe störend, so dass jedes einzelne Menschenwesen mit den Übrigen zu einer zähen Masse verschwamm, die kein Durchdringen eines Fremden erlaubte. Entweder man würde mit dem fließenden Menschengeschlecht Eins werden, oder man bliebe, wo man ist. Wie Strandgut bei abklingender Flut, man bliebe Wurfgut der Ebbe, den geiernden Möwen dargereicht.

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