Sonntag, 16. Dezember 2007

Die kurzen Tage überdauern kaum noch die Nacht. Nur mit Mühe finde ich aus dem Schlaf und beginne den Morgen im Dunkeln. Vor den Fenstern liegt das Licht der Vergessenen auf den Straßen. Stumm stehen die Laternen und versprühen ihre ganz eigene Helligkeit. Eine unmerkliche. Ein Licht, das zur Stadt gehört. Jede Laterne wirft ihre eigenen Schatten. Und auch das gehört zur Stadt, wie die einsam erleuchteten Fenster zwischen dem ganzen Dunkel. Fenster von Menschen, die hier bleiben, wenn der Rest sich zurückzieht, weil die Zeit ihn hinaus aufs Land treibt. Dorthin, woher er gekommen ist. Stadtmenschen sind ausgewanderte Landmenschen, und instinktiv ziehen sie in Richtung von Licht und Schatten. Und wenn die Tage dunkler werden, weil sie immer tiefer in die Nacht hineingreifen, zieht es diese Menschen aus der Stadt heraus, weil sie das Licht nicht ertragen. Die Stadt wird niemals gänzlich dunkel, wie die Zeit es im Winter doch ist. Wenn der Frost in den Bäumen und auf den Seen hängt. Alles in einen Zustand tiefster Ruhe versetzt, das kleinste Fließen gefriert. Mit dem Frieren bricht die Dunkelheit ins Land.

Ich lehne meinen Kopf in die Hände und rieche den Kaffee, den ich allein des Geruchs wegen aufkoche. Morgens trinke ich ihn nicht. Nur atmen und die Füße an den Heizkörper halten. Nur atmen und den Geruch der Geschäftigen vergegenwärtigen und damit das eigene Treiben. Ich ziehe durch den Flur der Wohnung, die nur acht Minuten vom Fluss entfernt liegt. Wenn der Pegel die Neunmetermarke überschreitet, ist er nur noch eine Handbreit von mir. Ziehe zum dreibeinigen Tisch und sinke, als könnte ich mich darüber nicht mehr halten. Ins Denken über den Akt der Gewalt, den Sprachakt und dessen gewaltigen Ausbreitung.

Fragmentierung. Geht es mir durch den Kopf. Alles in sich ist Zerspaltung der Dinge. Immer bis auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Gehen wir. Tief hinab nur soweit, wie wir in Begleitung kommen. Hin zum Gemeinsamen, niemals hin zum Nenner. Und das in einer ausgebildeten Ich-Gesellschaft mit einem Überschuss an Singlehaushalten. Leben lernen, heißt Allein-Sein lernen. Es begreifen. Dennoch. Gemeinsam sinken wir im Boot, das nur ein Floß ist und den Widerständen der Natur niemals trotzen kann. Sind auf der Flucht vor uns selbst und reißen Segel in die Winde, türmen Forttreibungsmittel auf und erleiden Schiffbruch auf offener See. Was also treibt uns dorthin, wohin wir längst geblickt haben, in die Zukunft? Sind alle Fluchtkinder in Fluchtkörpern. Und nach uns die Zukunft der anderen, unserer Kinder, die wir aussetzen in genau denselben Körpern.

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