Donnerstag, 12. Januar 2012

Es ist Januar. Vielleicht einer der kahlsten Monate, denke ich, während ich Tee trinkend am Küchentisch sitze und durch das Fenster auf den Innenhof schaue. Kein Blatt, kein Schnee, kein Mensch. So meine Aussicht heute. Nur Kahlgeäst, Baumgerippe, Gräten ohne Sommerfleisch. Wer die schneefreie Winterzeit und ihre knochigen Landschaften liebt, liebt doch alles. Was macht diese Liebe noch her? Ein ausstaffiertes Kleid, welches zu jedem Anlass getragen wird. Fleckig, rissig, an den Säumen offenherzig. Einen Ort bergend, an den jeder, der will, hinan greifen kann. Auch das Leben ist so ein Ort. Nicht unbedingt jeder, der will, kann. Aber die meisten eben doch und eben auch so, wie sie es möchten. Greifen hinan und hinein. Selbst jetzt, da es nicht regnet, ist die Januarwelt grau.

Die Häuser selbst sind grau. So einfallsreich ist der Mensch. Grau betoniert er seine Schutzwände. Als wären wir alle Maulwürfe, ganz ohne Blick für Farbe und Glanz. Wenn man sich wenigstens eingraben könnte.

Ach. Heute soll kein Tag für Farbe werden. Dabei erinnere ich mich an grünes Haar, blaue Haut und wüstensandiges Händehalten. Das war als kitzelten tausend kleine Gefühle meine Handinnenfläche. Von den Fingerspitzen her breiteten sie sich aus, kleine Rinnsale, die sich in meiner Hand zum Meer ergossen. Und jeder Herzschlag schlug Wellen. So aus dem Innern hervor, ganz unmerklich, wenn man nicht wusste, wohin zu schauen.

Dann stehst du in der Elektrischen. Hand in Hand. Und ganze Ozeane beben. Unwillkürlich löst du deine Hand aus der anderen. Du musst schauen, musst hinsehen, weil zwischen den Linien deiner Hände Fische springen. Ein Wind weht durch das offene Fenster zwischen die Fahrgäste, frischt auf, und ebenso unbeabsichtigt, wie du deine Hand eine Sekunde zuvor aus der anderen gelöst hast, löst sich dein Mund zu einem Atemtor auf. Du tauchst aus den Meertiefen auf und lebst. Inmitten der Elektrischen, inmitten der Menschen, inmitten einer Stadt aus grauem Beton atmest du.

Aber heute ist kein Tag. Eher ist es ein Zustand. Ein Nacktsein in Kälte, ein Warten auf Regen. Nicht, weil man Regen ersehnt, sondern weil man weiß, er wird kommen.

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